Kapitel 61 ~ Dieser Ehrwürdige ist wirklich großartig?

Die zwei Brüder hörten auf zu zanken und standen gleichzeitig auf. Die Person vor ihnen hatte eine äußerst würdevolle Ausstrahlung.

Xue Meng starrte ihn einen Moment lang an, bevor er endlich reagierte und nickte. „Mn. Das ist richtig. Wer seid Ihr?“

Xue Meng war von Geburt an widerspenstig, und obwohl Frau Wang ihm immer wieder Etikette beigebracht hatte, hatte er sie sich nie zu Herzen genommen. Wenn er also nach den Namen anderer Leute fragte, benutzte er niemals Ehrungen, und er bot auch nicht zuerst seinen eigenen Namen an. Es war ehrlich gesagt ziemlich unhöflich.

Mo Ran wusste jedoch, dass dies niemand war, der sich auf Xue Mengs Niveau herablassen würde. Schließlich war dies...

„Ich bin ein Schüler von der Rufeng-Sekte, Ye Wangxi." Wie erwartet war der junge Mann ruhig und gefasst, und er wurde nicht nervös. Unter seinen dunklen, schwarzen Brauen befand sich ein Augenpaar, das wie gestreutes Sternenlicht strahlte, außergewöhnlich hell und durchdringend. „Darf ich mich auch nach Ihrem Namen erkundigen?"

„Ye Wangxi?" Xue Meng runzelte die Stirn und murmelte. „Noch nie zuvor von diesem Namen gehört. Ihr scheint wohl keinen großen Ruf zu besitzen.“

Sein Gemurmel war nicht laut, aber es war unmöglich, dass jemand, der nicht schwerhörig war, dass überhören konnte. So zog Mo Ran diskret an Xue Mengs Ärmel, um ihn dazu zu bringen, etwas Zurückhaltung zu zeigen, bevor er die Emotionen in seinen eigenen Augen verbarg und leicht lächelte. „Ich bin Mo Ran vom Sisheng Gipfel, und neben mir ist mein ungezogener kleiner Bruder Xue Meng.“

Xue Meng zog sich zurück und warf ihm einen wilden Blick zu. „Fass mich nicht an ‒ wer ist dein kleiner Bruder?!"

„Oh, Xue Meng, du..." Mo Ran seufzte. Er drehte sich zu Ye Wangxi um, seine Augen lächelten zusammen mit seinen Lippen. „Mein jüngerer Bruder ist ein bisschen stur. Bitte kümmert Euch nicht um ihn. Ye-Xiong.“

Es war nicht so, dass er plötzlich entschieden hatte, seine ganze Einstellung zu ändern und Xue Meng gegenüber höflich zu sein. Vielmehr war Ye Wangxi ein herausragendes Genie unter seinesgleichen. Obwohl Ye Wangxi sich erst noch einen Namen machen musste, war Ye Wangxi in ihrem früheren Leben in der gesamten Kultivierungswelt nach Chu Wanning an zweiter Stelle gestanden.

Der Himmel wusste, wie sehr Mo Ran in seinem früheren Leben wegen Ye Wangxi gelitten hatte. Ihn nach seiner Wiedergeburt zu sehen, immer noch scharf wie eine Messerklinge, ein aufrechter Held, rein und edel... Auch wenn er nicht in Ye Wangxis Gunst geraten konnte, wollte Mo Ran ihm nie wieder als ein Gegner gegenübertreten.

Es reichte ihm schon, dass Chu Wanning ihn grün und blau schlug.

Wenn Ye Wangxi hinzugefügt werden würde, wie könnte er dann jemals in Frieden leben?

Ye Wangxi war ein Mann weniger Worte, also wandte er sich nach einem kurzen, höflichen Austausch seinem eigenen Wohnsitz zu. Kaum war er gegangen, verwandelte sich Mo Rans Gesichtsausdruck wieder in sein verdammt nervendes, scheißfressendes Grinsen. Er beugte Xue Meng den Ellbogen. „Was denkst du?"

„Was denke ich über was?"

„Diese Person“, antwortete Mo Ran. „Magst du ihn? Denkst du, er sieht gut aus?“

Xue Meng warf ihm einen verwirrten Blick zu und spottete. „Spinner."

Mo Ran lachte. „Wir wohnen zu viert im selben Hof, also laufen wir uns an jeder Ecke über den Weg. Du solltest froh sein, dass wir mit ihm zusammenwohnen.“

Xue Meng war verwirrt. „So, wie du sprichst, klingt es, als würdest du ihn schon kennen."

Natürlich konnte Mo Ran ihm nicht die Wahrheit sagen, also kehrte er zu seinem üblichen Herumalbern zurück. „Nein, ich kenne ihn nicht, aber ich beurteile die Leute nach ihren Gesichtern. Er sieht gut aus, also mag ich ihn sehr.“

„Ekelhaft!", spuckte Xue Meng aus.

Mo Ran lachte, winkte mit der Hand, als er sich umdrehte und Xue Meng hinter seinem Rücken eine beleidigende Geste zuwarf. Dann ging er träge nach hinten zu seinem eigenen kleinen Steinhaus und verriegelte die Tür mit einem Klirren, wodurch Xue Mengs ganzes Fluchen und seine Beschimpfungen draußen blieben.

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Am Morgen des nächsten Tages stand Mo Ran früh auf.

Ihre Gastgeber hatten die Kultivierungspraxis um drei Tage verschoben, damit sie sich an das Leben an den Pfirsichblütenquellen gewöhnen konnten. Mo Ran machte sich frisch und sah, dass Ye Wangxi bereits allein gegangen war und die anderen beiden noch nicht aufgewacht waren. Also machte er einen einsamen Spaziergang durch die Straßen.

In der dünnen Morgennebelschicht glitten etliche Kultivierer mit leichten Schritten vorbei und eilten zu ihren individuellen Kultievierungsgebieten.

Mo Ran kam an einem Frühstücksstand vorbei und sah einen Topf frisch gebackener Brötchen. Er dachte an seinen kleinen Shidi, der immer noch krank war, und ging hinüber. „Ich nehme acht frittierte Brötchen und eine Schüssel süßen Reisbrei zum Mitnehmen, Frau Ladenbesitzerin.“

Die gefiederte Standbesitzerin hob nicht einmal den Kopf, um zu antworten: „Das macht sechs Federn.”

Mo Ran starrte verständnislos. „Sechs was?"

„Sechs Federn."

„Also... Soll ich ein Huhn finden und ein paar seiner Schwingen rupfen?"

Die gefiederte Ladenbesitzerin hob die Augen, um ihn anzusehen. „Keine Federn und du Ihr wollt trotzdem Essen? Verschwinde, hau ab?“

Zwischen Verärgerung und Belustigung gefangen, wollte Mo Ran gerade noch einmal fragen, als hinter ihm eine vertraute Stimme zu hören war. Eine in Bandagen gewickelte Hand streckte sich mit sechs schimmernden, glänzenden goldenen Federn aus, die zwischen seinen Fingern eingeklemmt waren. „Hier, Frau Ladenbesitzerin, ich bezahle es."

Die gefiederte Ladenbesitzerin nahm die Federn und machte sich, da sie keine Zeit mehr verlieren wollte, daran, das Frühstück zum Mitnehmen einzupacken. Mo Ran drehte sich um, um Ye Wangxi an seiner Seite stehen zu sehen, groß und gut aussehend, mit eleganter Erscheinung.

„Vielen Dank." Mo Ran schnappte sich die dampfenden, heißen Brötchen und den süßen Reisbrei und ging neben Ye Wangxi her. „Wenn ich Euch heute nicht getroffen hätte, fürchte ich, wir wären vielleicht hungrig geworden."

„Keine Sorge“, sagte Ye Wangxi. „Fräulein Achtzehn hat nicht das beste Gedächtnis und vergisst immer, Neuankömmlingen ein paar Federn zu geben. Macht Euch keine Sorgen."

„Braucht man diese Federn für die Geschäfte in den Pfirsichblütenquellen?"

„Ja."

„Wo kommen die Federn her?"

„Werden sie gerupft."

„G-gerupft..." Mo Ran war leicht verblüfft. Diese Federn wurden wirklich von den Körpern von Vögeln gerupft? Würden die einheimischen Vögel am Ende nicht völlig kahl werden?

Ye Wangxi warf amüsiert einen Blick auf sein schockiertes Gesicht. „Was stellt Ihr Euch vor? In den Pfirsichblütenquellen gibt es einen Ort namens Abgrund der Ahnen. Der Legende nach stieg dort der Zinnoberroter Vogel auf. Der Grund des Abgrund der Ahnen ist mit tobenden Flammen gefüllt ‒ es ist unermesslich heiß und schwer zu ertragen. Dort kann kein Zentimeter Gras wachsen, und es können auch keine Tiere überleben."

Als Mo Ran seiner Beschreibung lauschte, wanderten seine Gedanken zu dem blutroten Himmel, den er in der Ferne gesehen hatte, als er am Vortag durch die Außenbezirke der Stadt gefahren war. „Ist der Abgrund am nördlichen Ende der Stadt?"

„Ihr habt recht."

„Was hat das mit Federn zu tun?"

„Es ist so: Obwohl keine anderen Kreaturen in der Nähe des Abgrund der Ahnen überleben können, lebt darin ein Schwarm wilder Dämoneneulen. Sie bauen ihre Nester mit Feuer, verstecken sich tagsüber und kommen nachts heraus. Der gefiederte Stamm verwendet ihre Federn, um ihre Kultivierung zu verfeinern."

„So ist das also." Mo Ran grinste. „Kein Wunder, dass sie Waren gegen Federn eintauschen wollen."

„Mn. Aber man muss aufpassen. Wenn die Dämoneneulen nachts herauskommen, verwandeln sich ihre Federn in die gewöhnliche Art, die sich nicht von denen anderer Eulen unterscheidet. Selbst wenn man sie dann fangen würde, würden sie einem nichts nützen. Nur jeden Tag bei Tagesanbruch, wenn die Sonne im Osten aufgeht, wird der Eulenschwarm zu Hunderten und Tausenden in den Abgrund der Ahnen zurückkehren. In dem Moment, kurz bevor sie den Abgrund betreten, werden ihre Federn wieder golden, und nur diese haben einen Wert."

„Ha ha, ist das nicht im Grunde nur eine Pflichtübung für Qinggong? Wenn deine Fähigkeiten unterdurchschnittlich sind, wirst du gegrillt werden. Aber wenn du keine Federn erntest, dann wirst du wahrscheinlich verhungern."

„Ist Euer Qinggong vielleicht nicht gut?", fragte Ye Wangxi.

Mo Ran gluckste. „Nur so lala."

„Das geht nicht. Die Bewegungen der Eule sind schnell und stark, nicht langsamer als die eines Falken oder Habichts. Wenn Ihr nicht fleißig übt, werdet Ihr ein paar Tage hungern:"

„Ich verstehe, ich verstehe..."

Als er Mo Ran in Gedanken versunken sah, seufzte Ye Wangxi. „Ich habe ziemlich viele Federn erworben, und im Moment habe ich keinen Mangel daran. Wenn ihr drei welche brauchen, fragt mich einfach.“

Mo Ran winkte erneut mit der Hand und lächelte. „Wie könnten wir das machen? Lasst uns das einfach als anfängliches Darlehen von sechs Federn von Ihnen an mich zählen. Ich werde etwas essen, aber wenn ich morgen ein paar Federn ernten kann, werde ich sie Euch zurückzahlen. Vielen Dank."

Mo Ran verabschiedete sich von Ye Wangxi und trug dann Reisbrei und Brötchen zurück in den Hof.

Xue Mengs Wohnsitz war leer. Wahrscheinlich war er aufgewacht, hatte sich gelangweilt und war dann spazieren gegangen. Also ging Mo Ran zu Chu Wannings Bambushaus.

Chu Wanning war noch nicht wach. Mo Ran stellte den Reisbrei und die dampfgebratenen Brötchen auf den Tisch, dann ging er zu seinem Bett, wo er den Kopf senkte, um ihn anzusehen. Plötzlich überkam ihn ein vertrautes Gefühl. Diese Art und Weise wie sein kleiner Shidi schlief... warum hatte er dabei eine große Ähnlichkeit mit einer bestimmten Person?

Mo Ran konnte sich nicht erinnern, wem sein Shidi ähnelte. Er hatte nur einen verschwommenen Eindruck von jemand anderem, der genauso schlief, jemand, der sich immer zu einer Kugel auf seinem Bett zusammenrollte, die Wangen auf die gefalteten Hände gelegt. Wer genau war es?

Während Mo Ran damit beschäftigt war, sich in seinen Gedanken zu verlieren, wachte Chu Wanning auf.

„Mmmm…“ Chu Wanning drehte sich um und sah die Person neben seinem Bett, woraufhin er plötzlich seine Augen weit öffnete. „Mo Ran?"

„Wie oft habe ich es dir schon gesagt? Du solltest mich Shixiong nennen.“

Mo Ran zerzauste ein wenig sein Haar und befühlte dann seine Stirn, um seine Temperatur zu messen. „Es scheint, als wäre dein Fieber vorüber. Komm schon, steh auf und iss etwas.“

„Essen...“, wiederholte das Kind auf dem Bett ausdruckslos, sein unordentliches Haar ließ sein Gesicht noch niedlicher aussehen.

„Schau dir an, wie sehr sich dein Shixiong um dich kümmert ‒ ich bin früh aufgestanden, um Frühstück zu kaufen. Du solltest essen, solange es heiß ist.“

Chu Wanning stand vom Bett auf, zog seine makellos weiße Robe an und ging zum Esstisch. Auf dem Esstisch lagen dampfgebackene Brötchen mit dünner Schale und knusprigem Boden, darüber jadegrüne Scheiben von gehackten grünen Zwiebeln und schwarzem Sesam, alles auf einem Lotusblatt platziert. Neben den Brötchen stand eine kleine Schüssel mit Longan und Osmantheus-Reisbrei. Er war weich und klebrig, aber gleichzeitig dick und reichhaltig sowie kochend heiß, mit Dampfwolken, die aufstiegen.

Der sonst so starke und standhafte Yuheng Ältester war plötzlich unsicher. „Für mich?"

„Ah?"

„Hast du das alles gekauft...für mich?"

Mo Ran war für eine Sekunde fassungslos. „Sicherlich." Er beobachtete Chu Wanning, der zögerlich und unsicher wirkte. Mo Ran dachte darüber nach und lächelte. „Beeil dich und iss, bevor es kalt wird."

Obwohl Chu Wanning seit vielen Jahren zum Sisheng-Gipfel gehörte und von allen respektiert wurde, aß fast niemand mit ihm wegen seiner eisigen, steifen Persönlichkeit. Noch seltener brachte man ihm eine Frühstücksportion aus dem Speisesaal. Manchmal beobachtete er, wie die Schüler aufeinander aufpassten, und obwohl er es nicht zugeben wollte, konnte er nicht verhindern, dass sein Herz leicht eifersüchtig war. Und so konnte er angesichts dieser Schüssel Reisbrei und ein paar Brötchen sich nicht dazu durchringen, sie tatsächlich zu essen. Eine lange Weile verging schweigend.

Mo Ran sah zu, wie Chu Wanning auf dem kleinen Hocker saß, auf das Essen vor ihm starrte und seine Essstäbchen nicht bewegte, und fragte sich, ob das Essen nicht nach seinem Geschmack sein könnte. „Was ist los?", fragte Mo Ran. „Ist es dir zu fettig?"

Chu Wanning sah Mo Ran stumm an und schüttelte den Kopf. Er nahm seinen Löffel und mit ihm einen Schluck Reisbrei. Nachdem er darauf geblasen hatte, nahm er einen vorsichtigen Schluck. Wenn er immer noch der schöne, kühle und distanzierte Chu-Zongshi wäre, der er normalerweise war, hätte ihn das Essen von Reisbrei auf diese Weise elegant und kultiviert erscheinen lassen, als ob er sich in Zurückhaltung üben würde. Im Körper eines Kindes sah er einfach unbeholfen und erbärmlich aus.

Mo Ran interpretierte sein Zögern falsch. „Magst du keine Longans? Dann kannst du sie raussuchen und weglegen. Kein Problem.“

„Nein." Das Gesicht des kleinen Shidi war nicht allzu ausdrucksstark, aber als er wieder Mo Ran ansah, waren seine krähenschwarzen Augen sanft. „Ich mag das."

„Oh… Haha, dann ist das gut. Ich habe mir Sorgen gemacht, dass du es nicht tust.“

Chu Wannings dicker Vorhang aus Wimpern schwebte nach unten. „Ich mag es“, wiederholte er leise. „So hat sich noch nie jemand um mich gekümmert." Er hob die Augen, um Mo Ran anzusehen. Als er wieder sprach, war es ernst: „Vielen Dank, Shixiong."

Mo Ran hatte nicht erwartet, dass er so etwas sagen würde, und er war fassungslos. Er war von Natur aus kein freundlicher Mensch, und er mochte Kinder nicht besonders. Er behandelte Xie Sini nur deshalb gut, weil seine Fähigkeiten für sein junges Alter ungewöhnlich gut waren und er wie ein jüngerer Schüler wirkte, der es wert war, sich mit ihm anzufreunden.

Mo Ran hatte nur praktisch gedacht, aber als er einen Chu Wanning traf, der diese Angelegenheit so aufrichtig behandelte, errötete er vor Scham. Allerdings fand er auch, dass etwas seltsam an dem war, was seine Shidi gesagt hatte. Nachdem er Chu Wanning mit einer Handbewegung gesagt hatte, dass er keinen dank brauche, fragte Mo Ran: „Hat noch nie jemand dein Frühstück gekauft?“

Chu Wanning nickte ausdruckslos.

„Wissen die Schüler des Xuanji Ältesten nicht, dass sie sich umeinander kümmern sollen oder so?“

„Ich hänge nicht viel mit ihnen ab."

„Was war, bevor du zur Sekte kamst? Als du in deinem alten Haus gelebt hast, haben deine Mama und dein Papa…“ Mo Ran hielt inne, unfähig, diesen Satz fortzusetzen.

Sein kleiner Shidi war schlagfertig und rein wie Schnee. Welche Eltern würden es wagen, ein solches Kind auf einem Berggipfel zurückzulassen, um es zu kultivieren, und nie wieder zu ihm zurückzukehren? Es schien, als hätte Xia Sini dieselben Erfahrungen gemacht wie Shi Mei und er selbst.

Wie erwartet sagte Chu Wanning ruhig: „Meine Eltern sind nicht mehr da, und ich habe keine anderen Verwandten, also gab es niemanden, der sich um mich kümmerte."

Mo Ran schwieg eine Weile, bevor er seufzte. Ursprünglich wollte ich nur mit diesem Jungen befreundet sein, denn erstens ist sein Kultivierungsniveau ziemlich hoch und zweitens ist er ruhig und vernünftig, im Gegensatz zu den typischen rüpelhaften Knöchelbeißern. Wer hätte gedacht, dass wir denselben Hintergrund haben?

Mo Ran sah den kleinen Shidi vor ihm an, er ertappte sich dabei, wie er an seine eigene Kindheit dachte und sich an jene Jahre erinnerte, die voller Bitterkeit und Entbehrungen gewesen waren. Eine Welle von Emotionen schoss durch seine Brust und erfüllte ihn mit Sympathie und einem Gefühl der Intimität. Plötzlich sagte er: „Früher hat sich niemand um dich gekümmert, aber von jetzt an wird es einen geben. Du hast mich bereits Shixiong genannt, also werden wir von nun an Brüder sein und dein Shixiong werde sich von jetzt an richtig um dich kümmern."

Es schien, als hätte Chu Wanning nicht erwartet, dass er das sagen würde, und er war etwas überrascht. Nach einer Weile verschmolzen seine Gesichtszüge langsam zu einem winzigen Lächeln. „Du kümmerst dich um mich?"

„Mn. Wenn du von jetzt an bei mir bleibst, werde ich dir Meditation und Schwerttechniken beibringen."

Chu Wannings Grinsen wurde breiter. „Du wirst mir Meditation und Schwerttechniken beibringen?"

Mo Ran interpretierte seinen Gesichtsausdruck falsch und kratzte sich am Kopf. „Mach dich nicht über mich lustig. Ich weiß, dass du schon ziemlich gut kultiviert bist, aber du bist noch jung und musst noch viel lernen. Es gibt viele Schüler unter dem Xuanji Ältesten, und er ist wahrscheinlich nicht in der Lage, dich individuell zu unterrichten. Was ist falsch daran, ein bisschen von mir zu lernen? Ich habe eine heilige Waffe, weißt du."

Chu Wanning schwieg einen Moment. „Ich habe mich nicht über dich lustig gemacht“, sagte er schließlich. „Ich...finde dich großartig."

Chu Wanning hätte so etwas früher nie sagen können. Doch seitdem sein Körper kleiner geworden war, schien auch seine Persönlichkeit sanfter und weicher geworden zu sein. Es war, als hätte er sich unter einem Mantel der Dunkelheit versteckt und könnte endlich seine steinharte Maske abnehmen.

Was Mo Ran betraf, so war dies das erste Mal, dass ihn jemand so lobte und sagte: ‘Ich finde dich großartig‘, obwohl er zwei Leben durchlebt hatte. Obwohl derjenige, der ihn lobte, nur ein kleines Kind war, wusste er nicht, wie er darauf reagieren sollte, so überwältigt war er von der angenehmen Überraschung. Eine Zeit lang konnte Mo Ran nur stottern. Seine Haut, die schon so dick wie Stadtmauern gewesen war, wurde rot. Stotternd wiederholte er, was ihm gesagt worden war. „Ich, ich-ich-ich bin großartig.... Findest du mich wirklich großartig?“

Plötzlich erinnerte sich Mo Ran vage daran, dass er, als er jung war, ein guter Mensch sein wollte. Aber dieser kleine, sanfte Wunsch von ihm, genau wie all seine anderen kleinen Wünsche‒

‘Wenn ich groß bin, möchte ich fragen, ob Li-Zizi vom Make-up-Laden mich heiratet.‘ ‘Wenn ich Geld habe, möchte ich jeden Tag Pfannkuchen essen.‘ ‘Wenn ich zu jeder Mahlzeit nur zwei Stücke gegrilltes Fleisch essen könnte, würde ich das nicht einmal für die Unsterblichkeit eintauschen.‘

‒ all das war am Ende nicht mehr als eine Erinnerung, vom Wind verweht und im Schnee verstreut worden war.

 

 

 

Erklärungen:

Xiong verwendet man um einen anzusprechen der der nicht von der eigenen Sekte ist. Man kann es auch als Nachsilbe an einen Namen anhängen, als freundliche, aber höfliche Art, einen Mann von gleichem Rang anzusprechen.

Longan ist eine essbare saftige Frucht, einer mit der Litschi verwandten Pflanze, die in Südostasien angebaut wird.




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