Kapitel 9 ~ Dieser Ehrwürdige ist kein Schauspieler

Chu Wannings Vorlieben sind, kurz gesagt, schrecklich. Trocken, langweilig, absolut zum Verzweifeln. Ein Beispiel sind all die beschissenen Bücher, die er selbst reingestellt hatte!

Ein Katalog alter Barrieren, Ein illustriertes Archiv ungewöhnlicher Blumen, Zitherarrangements von der Linyi-Rufeng-Sekte, Pflanzensammlungen. Es gab nur wenige Bücher, die als akzeptables Lesematerial galten, wie Ein regionaler Reiseführer für Sichuan und Sichuan-Rezepte.

Mo Ran nahm ein paar der neueren, die Chu Wanning wahrscheinlich nicht oft lesen würde, und kritzelte ein paar Pornos auf die Seiten.

Heh, hier gibt es mindestens achttausend, wenn nicht sogar zehntausend Bücher, dachte er beim Zeichnen. Wer weiß, wie lange Chu Wanning braucht, um zu entdecken, dass einige davon in verbotene Literatur umgewandelt wurden?

Bis dahin würde es keine Möglichkeit geben, zu sagen, wer es getan hatte, und Chu Wanning würde an seiner Wut ersticken. Mo Ran war wirklich so unglaublich schlau.

Als er darüber nachdachte, konnte Mo Ran nicht anders als zu kichern und umarmte die Bücher vor Freude.

Mo Ran verwüstete mehr als ein Dutzend Bücher, ohne aufzuhören und seiner Fantasie freien Lauf zu lassen. Alle Arten von erotischen Szenen manifestierten sich unter seiner Hand. Seine Pinselstriche waren verführerisch und elegant, die Stoffe schmiegten sich jetzt an die Figuren, als würden sie gerade aus dem Wasser steigen, und flatterten dann, als würden sie vom Wind verweht werden. Es war allzu leicht vorstellbar, welche Gerüchte sich verbreiten würden, wenn jemand ein Buch vom Yuheng Ältesten ausleihen würde und zufällig eines davon auswählen würde.

„Der Yuheng Ältester ist wirklich ein zweigesichtiges Biest, er fügte erotische Illustrationen von Männern und Frauen zwischen die Seiten von ‘Die Kunst der Meditation‘ hinzu!"

„Der Yuheng Ältester ist ein betrügerischer Meister, der Bildergeschichten homosexueller Obszönität in seinen Schwerttechnikhandbüchern versteckt!"

„'Beidou Unsterblicher', am Arsch! Er ist buchstäblich ein Biest in menschlicher Kleidung!"

Je mehr Mo Ran darüber nachdachte, desto lustiger wurde es. Schließlich wälzte er sich vor Lachen auf dem Boden, hielt sich den Bauch und strampelte vor Freude mit den Beinen. Er war so vertieft, dass er nicht bemerkte, als jemand an der Bibliothekstür erschien.

Und so war der Anblick, als Shi Mei, ihn begrüßte, als er sich näherte, der von Mo Ran, der sich in einem Stapel Bücher wälzte und lachte, als wäre er verrückt geworden.

„A-Ran, was machst du?"

Erschrocken setzte sich Mo Ran eilig auf, verdeckte hektisch all die anzüglichen Zeichnungen und setzte ein ansehnlicheres Gesicht auf. „D-den Boden wischen."

Shi Mei unterdrückte ein Lachen. „Mit deiner Kleidung?"

„Ähm, ich konnte keinen Putzlappen finden. Wie dem auch sei, ich mache weiter — was machst du so spät noch hier, Shi Mei?"

„Ich konnte dich nicht in deinem Zimmer finden, also habe ich mich umgehört und mir wurde gesagt, dass du bei Shizun bist." Shi Mei betrat die Bibliothek und half Mo Ran mit einem sanften Lächeln auf den Lippen, die auf dem Boden verstreuten Bücher aufzuräumen. „Es gab nichts anderes, was getan werden musste, also bin ich gekommen, um dich zu sehen."

Mo Ran war sowohl überglücklich als auch überwältigt. Er schürzte die Lippen. Aus irgendeinem Grund war sein gewohnt sanfter Charme nirgends zu finden und ihm fiel im Moment nicht wirklich ein, was er sagen sollte.

„Dann … ähm … nimm bitte Platz!“ Mo Ran wirbelte aufgeregt auf der Stelle herum und sagte dann ein wenig nervös: „I-ich hole etwas für dich!“

„Nicht nötig, ich habe mich hier reingeschlichen. Es wird Ärger geben, wenn Shizun es herausfindet.“

„Ich schätze ...“ Mo Ran kratzte sich am Kopf. Chu Wanning, dieser Freak! Früher oder später werde ich ihn stürzen und Shi Mei unter seiner Fuchtel befreien!

„Du hast wahrscheinlich noch nichts gegessen, oder? Ich habe dir etwas zum Abendessen mitgebracht."

Mo Rans Augen leuchteten auf. „Wan Tans?"

„Pfft, du hast sie wirklich nicht satt, oder? Der Rote-Lotus-Pavillon ist ein bisschen weit weg, und ich hatte Angst, dass die Wan Tans zusammenkleben würden, wenn ich hier ankomme, also habe ich keine mitgebracht. Hier, schau, ob dieses Stir-Fry nach deinem Geschmack ist."

Shi Mei öffnete den Behälter, den er mitgebracht hatte, und betrachtete das rote Geschirr darin. Teller mit Shinfeng-Schweineohrsalat, herzhaftem zerkleinertem Yuxiang-Schweinefleisch, gewürfeltem Kungpao-Huhn, zerdrücktem Gurkensalat und einer Schüssel Reis.

„Ah, hast du diesmal Pfeffer hinzugefügt?"

„Nur ein bisschen, damit du nicht in den Entzug gerätst“, sagte Shi Mei lächelnd. Sie beide liebten scharfes Essen, also verstand er natürlich das Konzept von ‘keine Gewürze, keine Freude‘. „Aber deine Wunden sind noch nicht vollständig verheilt, also habe ich nur ein bisschen hineingegeben, nur um etwas Würze hinzuzufügen. Es ist besser als nicht einmal einen Hauch von Rot zu haben."

Mo Ran kaute glücklich auf seinen Essstäbchen, seine Grübchen waren im Kerzenlicht süß wie Honig. „Ah! Ich werde vor Dankbarkeit weinen!"

Shi Mei unterdrückte ein Lachen. „Das Essen wird kalt sein, bevor du mit dem Schniefen fertig bist. Du kannst weinen, nachdem du gegessen hast.“ Mo Ran jubelte und vergrub sich im Essen, die Essstäbchen schossen mit beeindruckender Geschwindigkeit hin und her. Er aß immer wie ein ausgehungerter Hund. Chu Wanning hasste seine unpassende Art, aber Shi Mei hatte nichts dagegen. Shi Mei war immer so fürsorglich, lachte und sagte ihm, er solle langsamer essen, während er ihm eine Tasse Tee anbot.

Nach kurzer Zeit waren die Teller leer. Mo Ran drückte seinen vollen Bauch mit einem zufriedenen Seufzen, die Augen glücklich geschlossen. „Das bringt es auf den Punkt ..."

„Was schmeckt besser, die Wan Tans oder diese Gerichte?", fragte Shi Mei mit lässiger Stimme.

Wenn es ums Essen ging, widmete sich Mo Ran genauso der ersten Liebe. Er neigte seinen Kopf, klare schwarze Augen weich und fixierte Shi Mei, als er grinste. „Die Wan Tans."

Shi Mei sagte nichts und schüttelte lächelnd den Kopf. Nach einem Moment fuhr er fort: „A-Ran, lass mich dir helfen, deinen Verband zu wechseln und die Medizin neu aufzulegen.“

Die medizinische Salbe war von Frau Wang hergestellt worden. Sie war einst eine Schülerin von der Guyueye Sekte gewesen; während ihre Kampffähigkeiten gering waren und sie das Kämpfen nicht mochte, liebte sie die medizinischen Künste. Der Sisheng-Gipfel hatte einen Kräutermedizingarten, und sie hatte eigens viele wertvolle Kräuter dort gepflanzt, sodass der Vorrat an Heilmitteln der Sekte nie zur Neige ging.

Mo Ran zog sein Oberteil aus und setzte sich mit dem Gesicht abgewandt vor Shi Mei hin. Die Narben auf seinem Rücken schmerzten immer noch leicht, aber als Shi Meis warme Finger vorsichtig die Salbe verteilten und einrieben, vergaß er allmählich den Schmerz und stattdessen begannen seine Gedanken in eine ausgelassene Richtung abzuschweifen.

„Alles erledigt." Shi Mei wickelte neue Bandagen um Mo Ran und band sie sorgfältig ab. „Du kannst dich jetzt wieder anziehen."

Mo Ran drehte seinen Kopf herum, um Shi Mei anzusehen. Unter dem schwachen gelben Licht der Kerzen war Shi Meis Haut schneeweiß. Mo Rans Verlangen flammte noch mehr auf, seine Kehle wurde trocken. Er wollte sich wirklich nicht anziehen, aber nach einem Moment des Zögerns senkte er seinen Kopf und legte schnell seine äußere Robe über seine Schulter. „Shi Mei."

„Mm?"

Es waren nur sie beide in dieser Bibliothek, abgeschieden und versteckt. Die Stimmung war recht gut. Mo Ran wollte zuerst ein paar welterschütternd romantische Gedichtzeilen rezitieren, aber leider war er die Art von Analphabet, der seine eigene Regierungszeit so etwas wie ‘Schwanz‘ nennen konnte. Er stolperte eine ganze Weile über seine Worte, bis sein Gesicht rot wurde und er nur vier Worte hervorbrachte: „Du bist wirklich nett."

„Erwähne es nicht. Es ist nur eine Selbstverständlichkeit."

„Ich werde auch wirklich nett zu dir sein." Mo Ran kontrollierte sorgfältig seinen Ton, um ruhig zu bleiben, aber seine Handflächen schwitzten ununterbrochen und verrieten die stürmischen Wellen in seinem Herzen. „Wenn ich stark bin, werde ich es nicht mehr zu lassen, dass du von irgendjemanden schikaniert wirst. Nicht einmal von Shizun.“

Shi Mei wusste nicht, warum Mo Ran diese Dinge aus heiterem Himmel sagte. Er zögerte einen Moment, erwiderte aber dennoch leise: „Dann steht alles fest. Ich werde mich von nun an auf A-Ran verlassen."

„Mm-hmmm", murmelte Mo Ran seine Antwort, wurde aber unter Shi Meis ausdrucksvollem Blick immer unruhiger. Er wagte es nicht weiterhinzuschauen und senkte den Kopf. Er war dieser Person gegenüber immer peinlich vorsichtig — und entschlossen in seinem Einsatz.

„Ah, Shizun hat dich gebeten, all diese Bücher zu säubern? Und sie auch über Nacht zu katalogisieren?“

Mo Ran musste vor der Person, die er mochte, unbedingt das Gesicht wahren. „Es ist nicht so schlimm. Ich schaff das, ich muss nur das Tempo etwas erhöhen."

„Lass mir helfen“, sagte Shi Mei.

„Auf keinen Fall. Wenn Shizun es herausfindet, wird er dich auch bestrafen“, sagte Mo Ran resolut. „Es wird spät. Du solltest zurückgehen und dich etwas ausruhen; wir haben morgen früh Unterricht.“

Shi Mei nahm seine Hand und lachte leise. „Keine Sorge, er wird es nicht bemerken. Wir werden super leise sein‒“

Er konnte seinen Satz nicht einmal beenden, als ihn eine eiskalte Stimme unterbrach. „Und was genau wirst du superleise machen?"

Während sie nicht aufgepasst hatten, war Chu Wanning aus der Maschinenwerkstatt gekommen. Sein Gesichtsausdruck war kalt und seine Phönixaugen waren mit endlosem Frost gefüllt. Er starrte sie von dort, wo er an der Tür zur Bibliothek stand, an. In eine dünne Schicht weißer Roben gehüllt, zeigte er keine Emotion auf seinem Gesicht. Für einen Moment verharrte sein Blick auf ihren gefalteten Händen, bevor er sich entfernte. „Shi Mingjing, Mo Weiyu, ihr habt Nerven."

Shi Meis Gesicht wurde sofort bleich und er ließ Mo Rans Hand abrupt los. „Shizun...“, sagte er mit leiser Stimme.

Auch Mo Ran hatte erkannt, dass die Lage schlecht war, und senkte den Kopf. „Shizun."

Chu Wanning betrat die Bibliothek und ignorierte Mo Ran, um stattdessen auf Shi Mei herabzusehen, der auf dem Boden kniete. „Um den gesamten Roten-Lotus-Pavillon herum sind Barrieren aufgestellt“, sagte er kühl. „Hast du wirklich geglaubt, ich würde es nicht merken, wenn jemand unangekündigt hereinkommt?"

Shi Mei senkte erschrocken den Kopf auf den Boden. „Dieser Schüler hat sich geirrt."

Mo Ran geriet in Panik. „Shizun, Shi Mei ist gerade vorbeigekommen, um mir beim Wechseln meiner Verbände zu helfen. Er wollte gerade gehen. Bitte schelte ihn nicht."

Auch Shi Mei geriet in Panik. „Shizun, das hat nichts mit Mo-Shidi zu tun. Dieser Schüler hat sich geirrt und ist bereit, seine Strafe zu akzeptieren."

Chu Wanning schwieg, als sein Gesicht blau anlief. Er hatte kaum etwas gesagt, und schon beeilten sich die beiden, einander zu decken, als wäre er eine Art Geißel, gegen den sie sich verbünden müssten. Chu Wanning schwieg eine Weile und unterdrückte mit einiger Mühe das Zucken seiner Augenbrauen.

„Solch ein Mitgefühl zwischen Mitschülern ‒ wie rührend“, sagte er distanziert. „Sieht dann so aus, als wäre ich hier der Bösewicht.“

„Shizun...“, sagte Mo Ran.

„Sprich nicht mit mir." Chu Wanning schüttelte seine weiten Ärmel aus und wollte nicht weiterreden.

Mo Ran war sich nicht sicher, warum er so wütend war. Vielleicht lag es daran, dass sein Shizun es immer gehasst hatte, wenn Leute vor ihm gefühlsdusselig waren. Die spezifische Art von Gefühlsdusseligkeit war irrelevant. All das besudelte seine Augen.

Alle drei schwiegen lange.

Plötzlich wandte sich Chu Wanning zum Gehen um.

Die Ränder von Shi Meis Augen waren rot, als er hilflos und verwirrt aufsah. „Shizun?"

„Schreibe die Sektenregeln zehnmal ab. Du darfst gehen."

Shi Mei senkte seinen Blick, hielt einen Moment inne und antwortete leise: „Verstanden.“

Mo Ran kniet weiterhin an derselben Stelle.

Shi Mei stand auf, warf Mo Ran einen Blick zu und zögerte. Nach einer langen Weile kniete er sich wieder hin, um Chu Wanning zu bitten. „Shizun, Mo-Shidis Verletzungen sind gerade erst verheilt. Es mag dreist von diesem Schüler sein, das zu fragen, aber bitte geht schonend mit ihm um.“

Chu Wanning stand allein unter dem flackernden Kerzenlicht der Laterne und antwortete nicht. Nach einer Weile und ohne Vorwarnung drehte er ihnen den Kopf zu, die scharfen Augenbrauen hochgezogen, die Augen zusammengekniffen und einen zornigen Ausdruck auf den Lippen. „Was für ein Unsinn. Warum bist du immer noch hier?"

Chu Wanning war bemerkenswert gut aussehend, aber es fehlte ihm jegliche Sanftheit, und er war noch Furcht einflößender, wenn er wütend war. Shi Mei erschauderte ängstlich und ging schnell mit einer Verbeugung davon, um ihren Shizun nicht weiter zu provozieren und Mo Ran noch mehr Ärger zu bereiten.

Da sie nur noch zu zweit in der Bibliothek waren, seufzte Mo Ran vor sich hin. „Shizun, dieser Schüler hat sich geirrt. Dieser Schüler wird sofort mit der Katalogisierung fortfahren.“

Unerwartet sagte Chu Wanning, ohne auch nur den Kopf zu drehen: „Du kannst zurückgehen, wenn du müde bist.“

Mo Rans Kopf schnellte hoch.

„Ich werde dich nicht aufhalten“, fuhr Chu Wanning eisig fort.

Warum lässt er mich so einfach davonkommen? Es muss eine Falle sein! Mo Ran hielt sich für schlau und sagte: „Ich gehe nicht.“

Chu Wanning hielt inne und lächelte dann kalt. „Gut. Tu das, wenn du es willst."

Damit strich er über seine Ärmel, drehte sich um und ging.

Mo Ran war fassungslos.

Es war keine Falle gewesen? Er war sich sicher gewesen, dass Chu Wanning bereit gewesen war, ihm mit dieser Weidenranke eine weitere Runde Peitschenhiebe zu verpassen.

________________________________

 

Mo Ran brauchte bis spät in die Nacht, bevor er fertig war. Gähnend verließ er die Bibliothek. Trotz der späten Stunde war von Chu Wannings Schlafzimmer noch ein schwaches gelbes Licht zu sehen.

Äh? Dieser lästige Dämon war noch nicht ins Bett gegangen?

Mo Ran ging hinüber, um Chu Wanning eine gute Nacht zu wünschen, bevor er sich auf den Weg machte. Als er drinnen war, bemerkte er, dass Chu Wanning bereits eingeschlafen war, nur dass der vergessliche Mann es versäumt hatte, die Kerzen zu löschen, bevor er zu Bett ging.

Oder vielleicht war er mitten in der Arbeit vor Erschöpfung ohnmächtig geworden. Mo Ran vermutete, dass dies am wahrscheinlichsten passiert war, als er den zusammengebauten Prototyp des Wächters der Heiligen Nacht neben dem Bett sah. Zusammen mit dem Metallhandschuh, den Chu Wanning nicht ausgezogen hatte, und das halbe Stück des mechanischen Verschlusses, den er fest in seiner Hand hielt.

Chu Wanning war nicht so schroff und kalt, wenn er schlief. Er lag zusammengerollt auf dem Bett, das mit Maschinenteilen, Sägen und Äxten übersät war. Es lagen einfach zu viele Dinge überall verstreut herum und es war nicht mehr viel Platz übrig, um eine Person unterzubringen, und so hatte er sich eng zusammengedrängt gedrängt, den Körper zusammengeballt und die langen Wimpern gesenkt. Dieser Anblick war unerwartet einsam.

Mo Ran starrte ihn einen Moment lang verständnislos an. Worüber genau…war Chu Wanning heute so wütend gewesen? War es nur, weil Shi Mei den Rote-Lotus-Pavillon betreten und versucht hatte, Mo Ran beim Ordnen der Bücher zu helfen?

Mo Ran näherte sich dem Bett und verdrehte die Augen. Er beugte sich in die Nähe von Chu Wannings Ohr und rief mit einer sehr, sehr leise Stimme versuchsweise: „Shizun?“

„Mm...“ Chu Wanning stieß ein gemurmeltes Stöhnen aus und drückte die kalten Maschinenteile in seinen Armen noch fester an sich. Er war in einem tiefen Schlaf, sein Atem verlief gleichmäßig. Der scharfe Metallhandschuh, der immer noch an seiner Hand war, lag neben seinem Gesicht und sah aus wie die Krallen einer Katze oder eines Leoparden.

Als er erkannte, dass er wahrscheinlich nicht so schnell aufwachen würde, spürte Mo Ran einen Schlag in seinem Herzen und verengte seine Augen, seine Mundwinkel verzogen sich zu einem schelmischen Grinsen. Er schob sich über Chu Wannings Ohr und sagte mit leiser, prüfender Stimme: „Shizun, wach auf.“

Nichts.

„Shizun?"

Nichts.

„Chu Wanning?"

Immer noch nichts.

„Heh, er schläft schon." Mo Ran war entzückt. Er legte seinen Arm neben das Kissen und sah ihn grinsend an. „Perfekt. Ich werde diese Chance nutzen, um die Rechnung mit dir zu begleichen."

Nicht ahnend, dass jemand eine Rechnung mit ihm begleichen wollte, schlief Chu Wanning tief und fest, seine hübschen Gesichtszüge wirkten ziemlich friedlich.

Mo Ran nahm eine imposante Haltung ein. Unglücklicherweise war er in einem Freudenhaus aufgewachsen und hatte wenig von einer vorbildhaften Erziehung erhalten. Stattdessen war er eher von Straßenkämpfen und Volksmärchen beeinflusst worden. Die Sätze, die er zusammenschusterte, waren daher besonders lahm und lächerlich.

„Oh freches und böses Mitglied des Chu Clans, du doppelzüngiger Verräter, du unverschämter… Du… Hmm, du…“

Er kratzte sich am Kopf, ihm waren die Sätze ausgegangen. Selbst als er Kaiser geworden war, waren die Beleidigungen, die aus seinem Mund gekommen waren, entweder ‘diese Schlampe‘ oder ‘dieser Bastard‘ gewesen. Aber diese Worte schienen für Chu Wanning unpassend.

Er zerbrach sich eine ganze Weile den Kopf, bevor er sich an etwas erinnerte, das die Frauen im Freudenhaus immer gesagt hatten. Obwohl er sich nicht sicher war, was es bedeutete, schien es ganz okay zu sein. Und so zog er seine Stirn zu einem furchterregenden Stirnrunzeln zusammen und sagte scharf: „Du wankelmütiges, undankbares, verachtenswertes kleines Flittchen, erkennst du deine Missetaten an?"

Chu Wanning antwortete nicht.

„Wenn du nicht sprichst, wird dieser Ehrwürdige dies als Geständnis betrachten!"

Chu Wanning stieß ein weiteres Murmeln aus, vielleicht gestört durch den Lärm, aber er schlief fest und wiegte die Maschinenkomponenten.

„Deine Vergehen sind schwerwiegend. Nach dem Gesetz verurteilt dich dieser Ehrwürdige … hm … zur Mundstrafe! Liu-Gong!“

Dieser vertraute Name entglitt leicht Mo Rans Mund. Erst nachdem er es gesagt hatte, wurde ihm klar, dass ‘Liu-Gong’ eine Person aus seinem vergangenen Leben war, die nun schon lange nicht mehr da war.

Mo Ran dachte einen Moment darüber nach, bevor er beschloss, den fehlenden Teil selbst nachzuspielen. Also antwortete er in einem unterwürfigen Ton: „Eure kaiserliche Majestät, Euer alter Diener ist anwesend."

So, genug mit den Formalitäten. Mo Ran beugte seine Finger und begann, die ‘Bestrafung’ von Chu Wanning auszuführen.

Diese sogenannte Mundstrafe gab es eigentlich nicht. Mo Ran hatte sie sich gerade ausgedacht. Und wie würde diese improvisierte Bestrafung durchgeführt werden?

Der einst tyrannische Kaiser Mo Ran räusperte sich erneut feierlich. Mit einem eiskalten und bösen Blick schmiegte er sich langsam an dieses Gesicht, das so kalt aussah wie eine klare Quelle in einem verschneiten Tal, und näherte sich allmählich dem Paar blasser Lippen. Und dann ...

Mo Ran blieb stehen. Chu Wanning anfunkelnd, fluchte er und sprach jedes Wort langsam aus: „Chu Wanning, fick dich und deine unvergleichliche Kleinkarierheit.“

Pah. Pah.

Zwei Schläge in die Luft.

Heh heh, Bestrafung komplett! Scheiße ja!

Mo Ran war gerade dabei, sich zu freuen, als er ein plötzliches Kribbeln im Nacken und eine Veränderung in der Atmosphäre spürte. Er richtete seinen Blick nach unten, nur um von einem Paar erhabener und abweisender Phönixaugen getroffen zu werden.

Mo Ran konnte nicht sprechen.

Chu Wannings Stimme war klar wie das Zersplittern von Jade und kalt wie ein eisiger See, zu gleichen Teilen elegant und kühl. „Was machst du da?"

„Dieser Ehrwürdige...puh. Du alter Dien.. puh, puh, puh!"

Glücklicherweise hatte Mo Ran leise gesprochen; obwohl Chu Wanning ein wenig die Stirn runzelte, schien er es nicht klar gehört zu haben. Von einer Idee überwältigt, streckte Mo Ran die Hand aus und schlug zwei weitere Male in die Luft neben Chu Wannings Gesicht.

Angesichts von Shizuns dunkler werdendem Gesichtsausdruck schenkte ihm der einstige Kaiser des Reiches der Sterblichen ein besänftigendes Grinsen. „D-dieser Schüler tötete Moskitos für Shizun."

 

 

 

Erklärungen:

Stir-Fry ist die englische Bezeichnung für die chinesische ‘Chao-Technik’. Bei dieser Kochtechnik wird klein geschnittenes Fleisch, Fisch und Gemüse in sehr heißem Öl gebraten, während es gerührt wird.

Yuxiang (vereinfachtes Chinesisch: 鱼香; klassisches Chinesisch 魚香, yúxiāng; wörtlich ‘Fischduft’) ist eine berühmte Gewürzmischung in der chinesischen Küche und bezieht sich auch auf die resultierende Soße, in der Fleisch oder Gemüse gekocht wird.

Kung Pao Huhn oder Gongbao-Huhn (保雞丁 / 宫保鸡丁, Gōngbǎo jīdīng, ‘gewürfeltes Hühnchenfleisch nach Gongpao-Art'), auch unter den Bezeichnungen Gong Bao oder Kung Po bekannt. Es ist ein chinesisches Gericht der Sichuan-Küche, ein scharfes Soßengericht mit Hühnerfleischstücken, Erdnüssen, Gemüse (traditionell mit Winterzwiebeln), Chilischoten und Szechuanpfeffer, welches mit weiteren Zutaten angepasst werden kann.

Gong ist ein Titel oder eine Nachsilbe. Kann verwendet werden, um einen älteren Mann, einen Mann mit hohem Status, einen Großvater, einen Schwiegervater oder in einem Palastkontext einen Eunuchen zu bezeichnen.

 

 

 



⇐Vorheriges Kapitel      Nächstes Kapitel⇒

GLOSSAR


 

 


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen