Mo Ran verbrachte drei ganze Tage damit, wie ein toter Fisch auf seinem Bett zu liegen. Seine Wunden hatten sich gerade geschlossen, als er eine Vorladung erhielt, die ihn aufforderte, zum Teufel in den Rote-Lotus-Pavillon zu gehen, um dort zu arbeiten.
Auch das war Teil der Bestrafung. Mo Ran konnte während seines
Hausarrests nicht den Berg hinuntergehen, aber es war ihm auch nicht erlaubt,
einfach herumzusitzen. Und so kam es, dass er verschiedene Gelegenheitsjobs
ausübte: Unteranderem half er der Kantinen-Dame in der Mengpo-Halle beim
Geschirrspülen, schrubbte die dreihundertfünfundsechzig steinernen Löwen auf
den Pfeilern der Naihe-Brücke ordentlich ab, darüber hinaus fertigte er Kopien
von langweilen und stumpfsinnigen Schriften an.
Aber was für ein Ort war eigentlich der Rote-Lotus-Pavillon? Es war die
Residenz dieses Bastards Chu Wanning, die verfluchte Höhle, die alle die Rote-Lotus-Hölle
nannten. Nur eine Handvoll Leute vom Sisheng-Gipfel hatten sie jemals betreten.
Von denen, die es einmal getan hatten, war jeder einzelne entweder mit
gebrochenen Armen oder Beinen zurückgekommen. So hatte Chu Wannings Residenz
neben Rote-Lotus-Hölle noch einen weiteren, noch anspruchsloseren Beinamen: der
Pavillon der gebrochenen Beine.
Die Sektenschüler hatten einen Insider-Witz: ‘Der Pavillon verbirgt eine
Schönheit; die Schönheit hält Tianwen. Trete durch das Tor der gebrochenen
Beine ein und erfahre, wie qualvoll es ist, wenn deine Beine brechen. Wenn du
möchtest, dass deine Meridiane gesprengt werden, suche weiter nach dem Yuheng
Ältester’.
Einmal hatte eine furchtlose Schülerin, die unverschämt lüstern war, es
tatsächlich gewagt, nach der Schönheit des Yuheng Ältesten zu dürsten. Sie
hatte sich in einer mondlosen Nacht auf den Südgipfel geschlichen, um auf das
Dach zu klettern, in der Hoffnung, einen Blick auf den Ältesten werfen zu
können, wenn er beim Baden war.
Das Ergebnis war eine ausgemachte Sache. Diese Kriegerin war von Tianwen
bis an die Grenze zwischen Leben und Tod eskortiert worden und war nicht
weniger als einhundert elende Tage ans Bett gefesselt worden. Darüber hinaus
hatte Chu Wanning erklärt, dass weitere Übertretungen direkt mit Augen
ausstechen, bestraft werden würden.
Siehst du? Welch unverblümte Grobheit! Was für ein unsensibles
Verhalten! Was für ein abscheulicher Mann!
Innerhalb der Sekte gab es eine Reihe naiver und dummer junger Mädchen,
die ‒ weil sie dachten, dass der Yuheng Ältester sie als Mädchen schonen und
ihnen Barmherzigkeit zeigen würden ‒ ihn kichern und necken würden, in der
kühnen Hoffnung, seine Aufmerksamkeit zu erregen. Als der Älteste jedoch diese
Straftäterinnen abgeschlachtet hatte, wagte es niemand mehr, ihn anzumachen.
Der Yuheng Ältester machte keinen Unterschied, wenn es um Peitschenhiebe
ging, da er nicht die Spur eines richtigen Gentlemans hatte. Abgesehen von
seinem hübschen Gesicht sprach nichts für ihn — zumindest war das die Meinung der
Schüler der Sekte.
Der kleine Bote Shidi sah Mo Ran mit Mitgefühl in den Augen an. Er versuchte,
sich zurückzuhalten, aber am Ende gelang es ihm nicht.
„Mo-Shixiong ..."
„Hm?"
„Die Laune des Yuheng Ältesten ist so schlecht, dass niemand, der den
Rote-Lotus- Pavillon betritt, wieder herauskommt. Also warum versuchst du nicht
einfach, darum herumzukommen, indem du ihm sagst, dass deine Wunden noch nicht
verheilt sind, und bitte den Yuheng Ältesten stattdessen dich Geschirr spülen
zu lassen?”
Mo Ran war außerordentlich dankbar für dieses buddhaähnliche Mitgefühl
dieses Shidi, lehnte die Idee aber dennoch ab. Chu Wanning bitten? Er wollte
nicht noch eine Runde mit Tianwen gehen.
So kleidete er sich mit immenser Anstrengung an und schleppte seine
schweren Füße zum südlichen Gipfel des Sisheng-Gipfels, wobei der Widerwille
jeden seiner Schritte belastete.
Der Rote-Lotus-Pavillon, die Rote-Lotus-Hölle. Im Umkreis von hundert
Meilen um Chu Wannings Residenz war keine einzige Menschenseele zu sehen.
Niemand wollte sich in die Nähe seines Wohnsitzes verirren. Chu Wannings
schreckliche Neigungen und sein unberechenbares Temperament ließen alle in der
Sekte weit wegbleiben und ihn immer nur aus respektvoller Distanz beobachten.
Mo Ran blieb etwas nervös. Er wusste nicht, was Chu Wanning von ihm als
Strafe verlangen würde. Seine Gedanken rasten während des gesamten Weges zur
Spitze des südlichen Gipfels. Nachdem er ein dichtes Feld aus Bambushainen
durchquert hatte, kam eine große Fläche mit leuchtend purpurroten Lotusblumen
in Sicht.
Es war noch ziemlich früh am Morgen. Die Sonne war gerade erst im Osten
aufgegangen und leuchtete mit einem blendenden Glanz am Horizont. Aus den
himmlischen Lotosblättern im Teich wuchsen Stängel, die die karminroten Blüten
mit dem feuerroten Himmel verbanden; Blüte und Himmel absorbierten und
reflektierten sich gegenseitig und verstärkten so ihre Ausstrahlung, bis sie
wirklich beeindruckend anzusehen waren. Auf dem Teich führte eine gewundene
Zick-Zack-Brücke zu einem Pavillon, der in stiller Eleganz dastand. Dahinter
lag eine bergige Kulisse, die von Wasserfällen durchzogen war. Wasserperlen
plätscherten wie Kristallsplitter auf die Felsen unter ihnen und zersprangen zu
einem wässrigen Nebel, der wie ein Bach aufstieg. Licht schimmerte durch den
Dunst und warf eine ätherische Atmosphäre inmitten der Stille.
Mo Rans Gefühl bei all dem war: Ugh.
Egal wie schön es war, überall, wo Chu Wanning lebte, konnte es ihm nur ugh
sein!
Schau dir diese übermäßige Verschwendung an sieh wie überaus
verschwenderisch das alles ist! Das Schlafquartier, in dem die Schüler
schliefen, war eng, jedes Zimmer hatte wenig Platz. Doch schau dir den Yuheng
Ältesten an! Er war nur eine Person, aber er hatte einen ganzen Berggipfel
übernommen und sogar drei riesige Teiche gegraben, um eine Fülle von
Lotusblumen zu pflanzen. Gut, okay, diese Lotusblumen sollen also von
einzigartiger Sorte sein und zu Arzneimitteln von seltener Qualität verarbeitet
werden, aber‒
Auf jeden Fall war es ein Dorn im Auge. Es war wirklich schade, dass Mo
Ran diesen Pavillon nicht einfach anzünden und niederbrennen konnte.
Trotzdem war das Meckern nichts anderes als Meckern. Da er erst sechzehn
und machtlos war, um mit seinem Shizun zu konkurrieren, näherte sich Mo Ran Chu
Wannings Residenz, um am Vordereingang zu stehen. Er verzog die Augen zu einem
Lächeln und rief mit einer ekelhaft süßen Stimme, wobei er vorgab, ein niederer
Pöbel zu sein. „Dieser Schüler Mo Ran begrüßt Shizun."
„Mn. Komm rein."
Das Innere des Zimmers war ein riesiges Durcheinander. Dieser
kaltblütige Dämon, Chu Wanning, war ganz in weiß gekleidet, die Aufschläge
seiner Roben waren eng und hoch zurückgeschlagen worden, dass ihm eine keusche,
asketische Ausstrahlung verlieh. Heute hatte er sein Haar zu einem hohen
Pferdeschwanz gebunden, er saß auf dem Boden, umgeben von vielen mechanischen
Teilen, während seine Hände in einem Paar schwarzer Metallpanzerhandschuhe
steckten, hatte er zwischen seinen Zähnen einen Pinsel eingeklemmt.
Er warf Mo Ran einen ausdruckslosen Blick zu und sagte um den Pinsel in
seinem Mund herum: „Komm her.“
Mo Ran ging hinüber. Es war tatsächlich ein wenig schwierig, weil im
Haus kein Platz mehr für eine Person zum Gehen war; Blaupausen, Holzstücke und
Metallteile waren überall verstreut.
Mo Rans Augenbrauen zuckten. In seinem früheren Leben hatte er Chu
Wannings Zimmer nie betreten. Wer hätte gedacht, dass ein souveräner, gut
aussehender Mann wie er in so einem Durcheinander leben würde? Es war ein
ehrlich unbeschreibliches Gefühl.
„Shizun, was machst du?"
„Den Wächter der Heiligen Nacht."
„Hä?"
Chu Wanning war ein wenig mürrisch, wahrscheinlich, weil er einen Pinsel
im Mund hatte, der das Sprechen umständlich machte. „Den Wächter der Heiligen
Nacht."
Mo Ran warf einen schweigenden Blick auf die auf dem Boden verstreuten
Teile.
Dieser Shizun von ihm trug auch den Titel Chu-Zongshi, was nicht nur
eine leere Bezeichnung war. Mo Ran musste ehrlicherweise zugeben, dass Chu
Wanning ein bemerkenswerter Mann war. Denn durch den Verdienst seiner
technischen Fähigkeiten hatte er sich das Recht verdient, als ‘Bester der
Besten’ bezeichnet zu werden. Das war auch der Grund, warum er trotz seiner
schlechten Laune und wie schwer es war, ihn zufriedenzustellen, jede große
Sekte um ihn gekämpft hatte.
Was den Wächter der Heiligen Nacht betrifft, war dies etwas, mit dem der
wiedergeborene Mo Ran mehr als vertraut war. Es war ein Roboter eine von Chu
Wannings Erfindungen, billig im Preis, aber enorm stark und effektiv im Kampf. Er
war dazu in der Lage das einfache Volk im unteren Kultivierungsreich vor
dämonischen Übergriffen in der Nacht schützen.
In Mo Rans früherem Leben war der Vollendete der Wächter der Heiligen
Nacht etwas, das fast jeder Haushalt besaß. Jede Rüstung kostete ungefähr so
viel wie ein Besen und war effektiver als Bilder von Türwächtern mit ihren
offenen, gebleckten Mündern. Sogar nach Chu Wannings Tod hatten diese Wächter
der Heiligen Nacht weitergemacht, bessergestellte Familien zu beschützen, die
sich den Dienst eines Kultivierers nicht leisten konnten.
Solch aufrichtiges Mitgefühl im Vergleich zu der Gleichgültigkeit, mit
der er seinen Schüler behandelte ... Heh, es erfüllte Mo Ran mit Verachtung.
Mo Ran setzte sich hin und betrachtete den Wächter der Heiligen Nacht,
der derzeit nicht mehr als ein paar herumliegende Teile war, während ihm
Ereignisse der Vergangenheit durch den Kopf gingen. Unfähig zu widerstehen,
streckte er die Hand aus, um eines der Fingergelenke des Wächters zu berühren,
um es zu untersuchen.
Chu Wanning rastete die Einsteckschlösser und Zapfen der Teile in seinen
Händen zusammen und befreite sich schließlich, um den Pinsel wegzunehmen, der
zwischen seinen Lippen gewesen war. Er funkelte Mo Ran an. „Das wurde nur
geölt. Fass nichts an."
„Oh…“ Mo Ran legte das Fingergelenk weg und schulte seine Gedanken. Er
spielte immer noch die Rolle von jemanden, der süß und harmlos war, und fragte
mit einem Lächeln: „Hat Shizun mich hierher gerufen, um zu helfen?“
„Mn“, sagte Chu Wanning.
„Was soll ich tun?"
„Reinige das Haus."
Mo Rans Lächeln gefror. Er sah sich im Raum um, der aussah, als hätte er
gerade ein Erdbeben überstanden.
Obwohl Chu Wanning ein Genie war, wenn es um Kultivierungstechniken
ging, war er wirklich ein Idiot, wenn es um das tägliche Leben ging.
Nachdem er die fünfte Teetasse, die zerbrochen, aber nicht
weggeschmissen worden war, aufgeräumt hatte, hielt Mo Ran es schließlich nicht
mehr aus. „Shizun, wie lange ist es her, dass du zuletzt geputzt hast? Meine
Güte, es ist so chaotisch!"
Chu Wanning betrachtete gerade einen Bauplan und schaute nicht einmal
auf, als er die Frage hörte. „Ungefähr ein Jahr."
Mo Ran sträubte sich. „Und wo schläfst du normalerweise?"
„Was?" Dieser Bauplan verursachte wahrscheinlich einige Probleme,
was Chu Wanning reizbarer als gewöhnlich machte, wenn er unterbrochen wurde. Er
fuhr sich mit der Hand durchs Haar und antwortete gereizt: „Auf dem Bett
natürlich.“
Mo Ran warf einen Blick auf das Bett, das mit verschiedenen Geräten und
Spielereien überfüllt war, die fast fertig waren. Es war auch mit Sägen, Äxten,
Sicheln und anderen ähnlichen Werkzeugen beladen, von denen jedes äußerst
scharf war und in einem stählernen Licht glänzte.
Unglaublich. Wie hat diese Person geschlafen, ohne sich den Kopf
abzuschlagen?
Nach über einem halben Tag Arbeit hatte Mo Ran genug Sägemehl und
Schmutz vom Boden aufgefegt, um die drei Kehrschaufeln zu füllen. Nach dem
Abwischen der Regale waren mehr als zehn weiße Lappen nun schwarz. Gegen Mittag
hatte er erst die Hälfte geschafft.
Verdammter Chu Wanning. Er war wirklich abscheulicher als eine böse,
wütende Frau.
Ein Zimmer zu putzen war auf den ersten Blick keine besonders schwere
Strafe. Laut ausgesprochen wirkte es auch nicht besonders mühsam. Wer hätte
jedoch ahnen können, dass dies bedeutete, einen höllischen Ort zu fegen, der
seit dreihundertfünfundsechzig Tagen nicht gereinigt worden war? Egal, ob Mo
Ran mit Peitschenhieben übersät war, selbst wenn er bei bester Gesundheit wäre,
könnte eine ermüdende Tortur wie diese ihn immer noch halb tot machen!
Shizun ..."
„Hm?"
„Dieser Klamottenhaufen…“ Liegt wohl schon seit drei Monate dort herum.
Chu Wanning hat endlich einen Arm des Wächters der Heiligen Nacht
verbunden. Er rieb sich die schmerzenden Schultern und blickte auf, um einen
Blick auf den Wäschekorb zu werfen, der derzeit hoch wie ein Berg mit Roben
gestapelt war. „Ich werde sie selbst waschen“, sagte er kalt.
Mo Ran stieß einen erleichterten Seufzer aus. Dem Himmel sei Dank.
Danach fragte er ein wenig neugierig. „Äh? Shizun weiß, wie man Wäsche
wäscht?"
Chu Wanning sah ihn an. Nach einem Moment antwortete er steif: „Wie
schwer kann das sein? Alles ins Wasser werfen, ein wenig einweichen lassen und
dann herausfischen, damit sie trocknen kann. Fertig.“
Wirklich. Was würden die Damen, die Chu-Zongshi heimlich bewunderten und
in ihn verknallt waren, denken, wenn sie davon wüssten? Mo Ran glaubte von
ganzem Herzen, dass dieser abstoßende und ekelhafte Mann nur zum Anschauen gut
war und sonst nichts. Wenn das herauskäme, wie viele zarte Herzen würden gebrochen
werden?
„Es wird spät. Folge mir in die Mengpo-Halle und erledige den Rest, wenn
wir zurückkommen.“
In der Mengpo-Halle herrschte reges Treiben, als sich die Schüler des
Sisheng- Gipfels zum Essen in kleinen Gruppen versammelten. Chu Wanning stellte
ein paar Schüsseln auf sein Holztablett und setzte sich still in eine Ecke.
Allmählich leerten sich die Sitze im Umkreis von sieben Metern um ihn
herum. Niemand wagte es, sich in die Nähe des Yuheng Ältesten zu setzen, auf
die unwahrscheinliche Gefahr hin, dass ihn etwas verärgern könnte und Tianwen
zum Auspeitschen herauskommen würde. Chu Wanning war sich dessen bewusst, es
störte ihn aber nicht im Geringsten. Er saß da allein wie eine kalte Schönheit
und nahm auf raffinierte Weise seine Mahlzeit ein.
Aber heute war es etwas anders. Mo Ran war mitgekommen und musste
natürlich auch bei ihm sitzen.
Alle hatten Angst vor Chu Wanning, und Mo Ran war keine Ausnahme. Aber
nachdem er bereits einmal gestorben war, hatte er keine allzu große
Angst mehr vor Chu Wanning ‒ vor allem, da die Angst nach ihrem ersten Treffen
verflogen war und die Abneigung, die er in seinem letzten Leben gegenüber
seinem Shizun empfunden hatte, langsam wieder auftauchte. Was wäre also, wenn
Chu Wanning grausam wäre? Er war auch schon einmal gestorben, und zwar durch Mo
Rans eigene Hände.
Mo Ran setzte sich ihm gegenüber und kaute gemächlich an seinen süßsauren
Rippchen. Er aß und knirschte, und bald materialisierte sich ein kleiner Hügel
aus Knochen neben seiner Schüssel.
Chu Wanning knallte seine Essstäbchen auf den Tisch.
Mo Ran blinzelte.
„Kannst du beim Essen nicht schmatzen?"
„Ich kaue auf Rippchen. Wie kaue ich, ohne mit den Lippen zu
schmatzen?"
„Dann iss keine Rippchen."
„Aber ich mag Rippchen."
„Dann hau ab und iss sie woanders."
Während sie argumentierten, wurden ihre Stimmen lauter und lauter. Einige
Schüler fingen an, ihnen verstohlene Blicke zuzuwerfen.
Mo Ran unterdrückte den Drang, Chu Wanning die Schüssel mit dem Essen
auf den Kopf zu werfen. Seine Lippen, die vor Öl glänzten, spitzten sich zu
einer Linie. Nach einer Weile kniff er die Augen zusammen und seine Mundwinkel
verzogen sich zu einem süßen Lächeln. „Nicht so laut, Shizun. Wenn andere uns
hören, werden sie sich dann nicht über uns lustig machen?“
Chu Wanning hatte schon immer ein dünnes Gesicht besessen, und
tatsächlich senkte er seine Stimme, um „Verschwinde“ zu murmeln.
Mo Ran lachte so sehr, dass er fast hinfiel.
Stille.
„Ah, schau mich nicht an, Shizun. Bitte iss, iss. Ich werde versuchen,
leise zu kauen." Nachdem er seinen Spaß gehabt hatte, kehrte Mo Ran zu
seinem guten und gehorsamen Verhalten zurück, und tatsächlich aß er seine
Rippchen viel weniger laut.
Chu Wanning war für Schmeicheleien, aber keinen Zwang zugänglich; als Mo
Ran tat, was ihm gesagt wurde, entspannte sich das Gesicht seines Shizun etwas
und er sah nicht mehr so verbittert und nachtragend aus. Er senkte seinen Kopf
und aß elegant weiter seine Mahlzeit aus Gemüse und Tofu.
Dieser Frieden hielt nicht lange an, bevor Mo Ran wieder anfing, sich
aufzuspielen. Er wusste auch nicht, warum er tat, was er tat; was er wusste,
war, dass er ihn auf die eine oder andere Weise verärgern wollte.
So bemerkte Chu Wanning, dass Mo Ran zwar nicht mehr laut kaute, aber
mit den Händen aß. Seine Finger waren mit Fett bedeckt, während sie von der
Soße glänzten und tropften. Die Venen an Chu Wannings Schläfen traten wütend
hervor, als er versuchte, damit fertig zu werden.
Er senkte den Blick, sah Mo Ran nicht an und konzentrierte sich darauf,
sein Essen zu essen.
Vielleicht lag es daran, dass Mo Ran das Essen so sehr genoss, dass er
hingerissen war, aber nachdem er einen bestimmten Knochen fertig gekaut hatte,
warf er ihn achtlos in Chu Wannings Schüssel. Chu Wanning starrte auf die
unsauber angenagte Rippe, die Luft um ihn herum gefror sichtbar mit
beängstigender Geschwindigkeit.
„Mo Ran ..."
„Shizun…“ Mo Ran war leicht erschrocken, aber selbst er konnte nicht
sagen, wie viel von seiner Tat gewollt und wie viel davon unbeabsichtigt getan
worden war. „Das ... Äh, das wollte ich nicht."
Ja, genau.
Stille.
„Sei nicht böse ‒ ich hole ihn gleich raus.“ Als er das sagte, streckte
Mo Ran tatsächlich seine Essstäbchen aus und schlug sie schnell in Chu Wannings
Schüssel, um den beleidigenden Rippenknochen herauszuholen.
Chu Wannings Gesicht wurde blau, und er sah aus, als würde er vor Ekel
in Ohnmacht fallen.
Mo Rans Wimpern zuckten, seine zarten Gesichtszüge sahen etwas
erbärmlich aus, als hätte man ihm unrecht getan. „Findet mich Shizun so
abstoßend?"
Stille.
„Shizun, es tut mir wirklich leid."
Vergiss es, dachte Chu Wanning bei sich. Es war nicht
nötig, mit denen zu streiten, die jünger waren als er. Er gab den Drang auf,
Tianwen herbeizurufen und Mo Ran eine Tracht Prügel zu verpassen, aber der
Appetit war ihm vergangen. Er stand auf. „Ich bin voll."
„Äh? Das ist alles, was du essen wirst? Shizun, du hast dein Essen kaum
angerührt."
„Ich habe keinen Hunger", sagte Chu Wanning mürrisch.
Mo Ran war innerlich entzückt, aber sein Mund sprach weiterhin süße
Worte. "Dann esse ich auch nichts mehr. Lass uns zurück zur Roten-Lotus-Hö
– ähm, zum Roten- Lotus-Pavillon gehen."
Chu Wannings Augen verengten sich. „Uns?" Sein Blick war
verächtlich. „Es gibt kein ‘uns‘. Älteste und Schüler haben eine Hierarchie und
Differenzierung. Achte auf deine Sprache.
Mo Ran reagierte äußerlich angenehm, seine Augen verzogen sich zu einem
Lächeln, klug, gehorsam und liebenswert. Aber im Inneren, dachte er, Älteste
und Schüler? Auf meine Sprache achten?
Heh, wenn Chu Wanning nur wüsste, was alles ihm in ihrem früheren Leben
zugestoßen worden war, dann würde er erkennen, dass am Ende dieser Welt nur er,
Mo Weiyu, der Überlegene zwischen ihnen war. Egal wie beispiellos, edel und
arrogant Chu Wanning war, letztendlich war er zu bloßem Dreck auf der Sohle von
Mo Rans Stiefeln geworden und lebte ohne Zweck nur durch Mo Rans Gnade weiter.
Mo Ran ging schneller, um mit seinem Shizun Schritt zu halten, immer
noch strahlend lächelnd.
Wenn Shi Mei das reine weiße Mondlicht seines Herzens war, dann war Chu
Wanning das Stück Fischgräte, das ihm in die Kehle geschlagen wurde. Er zog sie
heraus und zerdrückte sie oder schluckte sie und ließ sie von seiner Magensäure
auflösen. In diesem wiedergeborenen Leben konnte er jedem vergeben.
Aber Chu Wanning konnte er absolut niemals verzeihen.
Es schien jedoch, dass Chu Wanning auch nicht die Absicht hatte, ihn
einfach davonkommen zu lassen. Mo Ran stand vor der Bibliothek der Roten-Lotus-Hölle,
starrte auf die fünfzig Bücherregale, jedes davon war zehn Fächer hoch, und
dachte, dass er sich sicher verhört hatte.
„Shizun, was ... hast du gesagt?"
Chu Wanning antwortete gleichgültig: „Wische alle Bücher hier ab.“
Mo Ran hatte keine Worte.
„Wenn du fertig bist, katalogisiere sie.“
Immer noch keine Worte.
„Ich werde morgen früh nachsehen."
Mo Ran starrte ihn an.
Was zur Hölle! Würde er über Nacht in der Roten-Lotus-Hölle festsitzen?!
Aber er hatte sich Pläne gemacht, Shi Mei zu treffen, damit er seine Verbände
wechselte!
Mo Ran öffnete den Mund, um zu verhandeln, aber Chu Wanning schenkte ihm
keine Beachtung und drehte sich mit einer schwungvollen Ärmelbewegung um, um
zur Maschinenwerkstatt zu gehen. Mit eleganter Gleichgültigkeit schloss er
sogar die Tür hinter sich.
Die Verabredung wurde kurzerhand abgebrochen, und Mo Ran versank tief in
seinen Gefühlen der Verachtung für Chu Wanning. Er wollte alle Bücher von Chu
Wanning verbrennen.
Warte mal! Die Zahnräder in seinem Kopf drehten sich, als er auf eine
noch unheilvollere Idee kam ...
Von den beiden Kapiteln, habe ich jetzt Hunger bekommen. Bei dem letzteren konnte ich schön lachen 😂 Danke für das Update 🥰
AntwortenLöschenIch liebe diese Stelle auch. Ich weiß noch das ich mich ganz am Anfang, vom Übersetzen, verlesen habe und dachte Mo Ran hätte die Schale wirklich über Chu Wanning ausgekippt. Da war ich am Ende leicht enttäuscht, dass er es doch nicht getan hatte. XD
AntwortenLöschenich will ja nichts sagen aber das was er da mit im macht ist zum lachen. hoffendlich treibt er seine späße nicht zuweit sonst wird es im wieder weh tun.obwoll ich lachen muste . weiter so
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