Nachdem der Gelehrte in Fahrt gekommen war, plapperte er vier Stunden lang ununterbrochen und zusammenhanglos über Konfuzius und Menngzi, und zwar völlig über Mo Rans Kopf hinweg. Mo Rans Kopf drehte sich, und seine Augenlider wurden schwer, aber er musste immer noch Interesse vortäuschen - kein leichtes Unterfangen, gewiss.
Aber wenn es darum ging, im Unterricht Aufmerksamkeit
vorzutäuschen, war Mo Ran sehr geschickt. Zunächst begann er mit einem: „Oh?",
gepaart mit einer gerunzelten Stirn, als sei er verwirrt oder nicht überzeugt.
Er ließ sie eine Weile reden, versuchte es dann mit einem: „Oh...",
und lockerte die Augenbrauen, um den Eindruck zu erwecken, dass er etwas
verstanden hatte. Einige Minuten später vergaß er nicht, seine Augen weit
aufzureißen und sie zum Funkeln zu bringen, um dann mit einem „Ohhh!", zu
zeigen, dass er dank der brillanten Anleitung seines Lehrers neue Einsichten
und Erkenntnisse gewonnen hatte.
Mo Ran hatte diese drei ‘Ohs‘ während des gesamten
Unterrichts von Chu Wanning großzügig angewandt. Leider fiel Chu Wanning nie
darauf herein. Er sah Mo Ran lediglich mit kalten Augen an und sagte ihm, er
solle die Klappe halten.
Der kleine Bücherwurm hingegen hatte in seinem ganzen Leben
noch nie einen so ‘aufmerksamen‘ Zuhörer getroffen, und am Ende leuchteten
seine Augen geradezu. Er war so erfreut, dass sich seine früheren Vorbehalte
und sein Hochmut in Luft auflösten und er sich nur noch wünschte, er hätte Mo
Ran früher kennengelernt.
„Jetzt verstehe ich", sagte Mo Ran mit einem Lächeln. „Jetzt,
da ich gehört habe, was Ihr zu sagen habt, kann ich sehen, dass dieses Gemälde
wirklich ein unbezahlbares Meisterwerk ist."
Wäre der kleine Bücherwurm noch am Leben gewesen, wäre er
zweifellos knallrot geworden. Aber auch ohne die verräterische Röte war seine
Aufregung offensichtlich. Er war so begeistert, dass er kaum wusste, was er mit
seinen Händen tun oder wohin er seine Beine stecken sollte. Der Gelehrte
strahlte wie ein kleines Kind, sein hageres Gesicht leuchtete.
Mo Ran hatte noch nie einen so glücklichen Geist gesehen.
Das sollte genügen. Mo Ran erhob sich und verbeugte sich
respektvoll. „Es ist schon spät", sagte er, „ich werde mich noch ein wenig
umsehen und einen Platz zum Bleiben finden. Wenn der Professor nicht zu viel zu
tun hat, werde ich morgen wiederkommen."
Das Lächeln des Gelehrten wurde noch breiter, als er aus
heiterem Himmel ‘Professor‘ genannt wurde. Halb ekstatisch, halb panisch
beeilte er sich, zu widersprechen: „Nein, nein, nein, ich bin kein Professor.
Ich habe die Prüfung mehrmals abgelegt, aber am habe ich nicht einmal die
Prüfung auf Bezirksebene bestanden, um mich als Xiucai
zu qualifizieren, ich..." Er brach mit einem Seufzer ab.
Mo Ran lächelte. „Die Tiefe des eigenen Wissens wird nicht
an Titeln und Rängen gemessen, sondern am Inhalt des eigenen Herzens."
Der Gelehrte war schockiert. „Dass...dass Ihr tatsächlich
zu einer solchen Eloquenz fähig seid."
„Das ist etwas, was mein Shizun einmal gesagt hat. Ich
leihe mir nur seine Worte."
Der Gelehrte hielt einen langen Moment inne. „Ich leihe mir
seine Worte."
„Oh, so läuft das also? Ha ha ha ha." Mo Ran kratzte
sich am Kopf. „Ich habe mich wieder falsch erinnert."
Es war schon spät, und der Gelehrte würde wohl kaum noch
Kunden bekommen. Er begann, seine Koffer und Taschen zusammenzupacken. „Ich bin
auch ziemlich frei", sagte er, „und es kommt nicht jeden Tag vor, dass ich
mit jemandem so gut auskomme.
Man sagt zwar, dass die Freundschaft
zwischen Gentlemen so leicht wie Wasser ist, aber man sagt auch, dass,
wenn man Freunde beim Wein kennenlernt, tausend Becher zu wenig sind, also sage
ich..."
Mo Ran unterbrach ihn schnell, bevor er noch mehr gelehrte
Tinte ausspucken konnte. „Lasst mich raten", sagte er lächelnd, „es ist
schon spät, wie wäre es, wenn wir irgendwo etwas trinken gehen?"
„Ah, ja, genau. Etwas Wein, um die Stimmung zu heben. Wie
wär's?"
„Klingt gut", nickte Mo Ran. „Auf Kosten des
Professors."
Der Gelehrte war völlig sprachlos.
_____________________________
Auf dem schmierigen kleinen Tisch stand ein mickriger
Teller mit etwa einem Dutzend verstreuter Erdnüsse und zwei Becher mit Wein,
die kaum halb voll waren. Eine einzige schmuddelige Kerze war die einzige
Lichtquelle der Taverne, und hinter dem Tresen wischte der schlitzohrige
Besitzer eine zerbrochene Schale ab.
„Es ist ein bisschen schäbig." Der Gelehrte schien
sich ein wenig unwohl zu fühlen. „Aber ich habe nie wirklich Papiergeld
bekommen, also war ich nur in ein paar Läden. Dieser hier ist der passabelste
von allen..."
„Das ist gut", sagte Mo Ran, nahm den Weinbecher und
betrachtete ihn nachdenklich. „Essen Geister?"
„Es ist alles unecht, es funktioniert wie Opfergaben."
Der Gelehrte steckte sich eine Handvoll Erdnüsse in den Mund, aber die Menge
auf dem Teller blieb unverändert. „Seht Ihr?", erklärte er. „Genauso. Das
ist nur für den Geschmack."
Mo Ran setzte ruhig seinen Becher Wein ab. Er war nicht
wirklich tot. Wenn er aß, würde er erwischt werden.
Drei Runden Wein später hatte der Gelehrte seine frühere
Niedergeschlagenheit abgeschüttelt. Er plauderte mit Mo Ran über dies und das
und fragte dann: „Mo-Gongzi wollte, dass ich vorhin das Porträt von jemandem
zeichne. Ist es eine Geleibte?"
Mo Ran winkte verzweifelt mit der Hand. „Nein, nein. Es ist
mein Shizun."
„Ah." Der Gelehrte schien überrascht zu sein. „Ich
mache hier schon seit vielen Jahren Geschäfte. Es kamen schon Leute zu mir, die
Bilder von Schönheiten haben wollten, aber das ist das erste Mal, dass mich
jemand bittet, seinen Shizun zu zeichnen. Ist Euer Shizun gut zu Euch?"
Von Schuldgefühlen geplagt, sagte Mo Ran: „Ja, er ist sehr
gut zu mir."
„Kein Wunder", nickte der Gelehrte. „Wozu braucht Ihr
eine Zeichnung von ihm?"
„Um ihn zu finden."
„Hä?" Der Gelehrte schaute überrascht, „Ist er auch in
der Unterwelt?"
„Mn", antwortete Mo Ran. „Ich habe gehört, dass die
Verstorbenen hier in Stadt Nanke acht bis zehn Jahre lang bleiben. Ich mache
mir Sorgen um ihn, deshalb wollte ich sehen, ob ich ihn finden und ihm
Gesellschaft leisten kann."
Der Gelehrte zweifelte nicht im Geringsten an ihm. Er war
sogar ziemlich gerührt. Er überlegte kurz und seufzte dann. „Eine solche
Hingabe ist schwer zu finden... Also gut, Mo-Gongzi! Ich werde es für Euch tun!"
Während er sprach, stand er auf und öffnete seinen Koffer, um sein
Zeichenwerkzeug herauszuholen.
Mo Ran war überglücklich. Er bedankte sich ausgiebig und
fragte nach seinem Namen, weil er sich vornahm, er würde einen Haufen Geld für
den armen Kerl verbrennen, wenn er in die Welt der Lebenden zurückkehrte. Die
beiden tauschten überschwängliche Worte der Freundschaft aus, während Mo Ran
dem Mann half, das Papier auszubreiten und die Tinte zu zerreiben. Doch kaum
hatten sie sich an die Arbeit gemacht, kam alles zum Stillstand.
„Mein Shizun... Er..." Mo Ran ballte seine Hand zu
einer Faust und trommelte sie mehrmals gegen sein Knie, schaffte es aber nicht,
auch nur einen Funken der Inspiration zu wecken. Er zögerte lange und kramte
jedes Wort aus seinem kläglichen Wortschatz hervor. Schließlich brachte er
heraus: „Er ist wunderschön. Bitte zeichnet ihn."
Der Gelehrte starrte ihn an.
„Nun? Zeichnen Sie."
Es gab eine lange Pause. „Inwiefern schön?"
„Ist das nicht offensichtlich? Einfach, Ihr wisst schon,
schön. Also zeichnet ihn schön."
„Ja, ich weiß, zeichne ihn schön, aber wisst Ihr was... ach
vergesst es. Was für ein Gesicht hat er denn?"
„Was für ein Gesicht?" Mo Ran starrte ausdruckslos.
Nach einigem Nachdenken sagte er: „Ein Gesicht ist ein Gesicht."
Der Gelehrte begann, sich zu ärgern. „Oval, herzförmig,
quadratisch, rund ‒ gebt mir wenigstens eine Form?"
„Ich kenne diese Dinge nicht! Jedenfalls hat er ein
hübsches Gesicht."
Der Gelehrte war wieder einmal sprachlos.
„Vergesst es", sagte Mo Ran. „Wenn Ihr es nicht wisst,
dann zeichnet es einfach wie mein Gesicht. Unsere Gesichter sind sowieso
ziemlich ähnlich geformt."
Der Gelehrte gab das Sprechen ganz auf.
Als Nächstes waren die Augen dran.
„Welche Art von Augen?" Gerade als Mo Ran antworten
wollte, fügte der Gelehrte hinzu: „Sagt nicht, Augen sind Augen."
„Ich weiß, ich weiß." Mo Ran winkte mit der Hand. „Seine
Augen sehen ... hm, wie soll ich es sagen? Furchteinflößend, aber... charmant?
Und kalt, aber sanft."
Der Gelehrte warf wütend seinen Pinsel hin. „Ich kündige!
Sucht Euch sich einen anderen!"
„Nein, wartet!" Mo Ran griff hastig nach ihm. „Niemand
sonst zeichnet so gut wie Ihr!"
Der Gelehrte starrte ihn mit kaum unterdrückter Wut an.
Aber Mo Rans Gesicht leuchtete vor Aufrichtigkeit, also gab er nach und sagte
steif: „Nun gut, aber Ihr müsst mir richtige Antworten geben."
Mo Ran fühlte sich ein wenig ungerecht behandelt. Er hatte
gedacht, seine Antworten seien in Ordnung. Was war an ihnen nicht in Ordnung
gewesen? Aber man kann es sich nicht aussuchen - er nickte gehorsam und drückte
die Seelenruf-Laterne fest an sich.
„Also, die Augen", kam der Gelehrte wieder zur Sache. „Leopardenaugen?
Runde Augen? Mandelaugen? Phönixaugen? Oder..."
Mo Rans Kopf drehte sich unter der Flut von unbekannten
Begriffen.
Er schüttelte den Kopf. „Schlitzaugen?
Nein, das ist viel zu klein. Seine Augen sind nach oben gerichtet; ich weiß
nicht, wie man das nennt, aber sie, äh... sie schwingen nach oben, sie sind wirklich
hübsch..."
„Das sind die Phönixaugen."
Mo Ran öffnete den Mund, aber als er das Gesicht des
Gelehrten sah, das wie eine Gewitterwolke aussah und kurz davor war zu platzen,
schloss er ihn wieder. „Na gut, Schlitzaugen. Was immer Ihr sagt."
Der Gelehrte fuhr mit seiner Befragung fort. „Nase: hoch
oder flach?"
„Hoch."
„Lippen: dünn oder voll?"
„Dünn."
„Augenbrauen: dicht oder spärlich?"
„Dicht."
„Dick oder dünn?"
„Durchschnittlich, glaube ich... Warte, den Begriff kenne
ich! Er hat schwertförmige Augenbrauen."
„Gut." Der Gelehrte setzte ein paar Pinselstriche auf.
„Hat er irgendwelche Muttermale im Gesicht?"
Mo Ran legte nachdenklich den Kopf schief. Dann rötete sich
sein Gesicht und er murmelte: „Ja..."
„Wo?"
„An seinem linken Ohr", sagte Mo Ran zögernd. „Ein
winziges, helles Muttermal, und...“ Und er ist sehr empfindlich, wenn er
dort geküsst wird.
Der Gelehrte zog eine Braue hoch. „Und?"
„Ni..." Mo Ran schüttelte den Kopf wie eine Rasseltrommel und sein Gesicht wurde noch röter. „Nichts."
Der Gelehrte warf ihm einen neugierigen Blick zu, aber zum
Glück war das Licht in der Taverne schwach, und er konnte nicht sehen, wie rot
Mo Rans Gesicht war. Er tauchte seinen Pinsel wieder in die Tinte und fragte: „Gewöhnliche
Kleidung?"
„Er trägt am liebsten Weiß und hat sein Haar mit einer
Jadekrone hochgesteckt oder einen hohen Pferdeschwanz." Mo Ran überlegte
und fügte dann hinzu: „Manchmal trägt er sein Haar auch offen, und dann sieht
er wirklich..."
„Sagt nicht schon wieder schön!" Der Gelehrte war am
Ende seiner Kräfte.
„Na gut, dann eben gut aussehend."
Dem Gelehrten fehlten die Worte.
Nachdem sie diese schmerzhafte Tortur hinter sich gebracht
hatten, war die Zeichnung endlich fertig. Mo Ran pustete die Tinte trocken und
hob das Papier an, um das Werk zu betrachten. Es war nicht so gut aussehend
oder schön wie Chu Wanning und sah auch nicht ganz so aus wie er, aber für
seine Zwecke war es ganz passabel. Er lächelte. „Vielen Dank, Professor. Es ist
großartig."
„Ich habe schon Pan An, Fan Li, Xi Zi und Diao Chan gezeichnet.
Gibt es noch andere legendäre Schönheiten, die ich hinzufügen sollte?"
Mo Ran lachte. „Wenn ich Shizun gefunden habe, werde ich
mich bestimmt noch einmal richtig bedanken."
Sie tranken und unterhielten sich, bis der Himmel dunkel
wurde und als es Zeit war, sich vor der Taverne zu trennen, machte sich Mo Ran
mit dem Porträt von Chu Wanning in der Hand auf den Weg. Dem Gelehrten zufolge
gab es in der fünften Straße einen Ort namens ‘Halle-des-Rückenwinds‘, der es
sich zur Aufgabe gemacht hatte, für die Neuankömmlinge in der Stadt Nanke alles
Mögliche zu erforschen.
Er machte sich unverzüglich auf den Weg dorthin.
_____________________
Vor der Halle-des-Rückenwinds wehte leicht ein Banner mit
einer schwarzen Schlange im Wind. Als Mo Ran die Tür aufstieß und eintrat, bot
sich ihm der Anblick eines langen Tresens, der sich über die gesamte Haupthalle
erstreckte. Dahinter saßen etwa ein Dutzend Geister in ockerroten Roben, die
jeweils eine hölzerne Maske trugen, auf der ein knurrendes Gesicht gemalt war,
das ihre wahren Gesichtszüge verbarg. Vor jedem maskierten Geist stand eine
lange, sich schlängelnde Reihe von Verstorbenen mit verschiedenen
Gesichtsausdrücken und Bitten.
Hunderte von weißen Wachskerzen schwebten in der Nähe der
Dachsparren des Gebäudes und warfen überlappende Schatten auf die überlappenden
Toten. Der Ort war voll, und die Geister kamen und gingen ohne Unterlass.
„Herr, können Sie mir helfen, meinen jüngeren Bruder zu
finden? Sein Name ist Zhang Bayi, aus Gusu. Er war einundzwanzig Jahre alt, als
er starb..."
„Haben Sie ein Porträt?"
„N-nein."
„Das ist in Ordnung, aber es kostet das Zehnfache."
Weiter hinten am Tresen...
„Hör zu, mein Junge..."
Der maskierte Geist räusperte sich, ihre Stimme war klar
und deutlich.
„Ah, tut mir leid, ich wusste nicht, dass Sie ein Fräulein
sind. Fräulein, es ist so. Als ich gestorben bin, hat meine Frau gesagt, dass
sie auf keinen Fall wieder heiraten will, aber ich habe gesehen, wie sie und
mein kleiner Bruder sich seit einiger Zeit Blicke zugeworfen haben, und das
kann ich einfach nicht akzeptieren. Könnt Ihr mir also helfen, herauszufinden,
ob sie da oben eine richtige Witwe ist oder ob sie mit meinem kleinen Bruder
durchgebrannt ist?"
„Hier ist unsere Preisliste für die Untersuchung von
Angelegenheiten in der Welt der Lebenden. Bitte sehen Sie es sich an."
Und auf der anderen Seite...
„Verzeihung, ich mochte ein Mädchen, als ich noch lebte,
aber sie stammte aus einer wohlhabenden Familie. Ich war nur ein armer
Gelehrter, der nicht einmal die Beamtenprüfung bestehen konnte, und ich hatte
nicht den Mut, ihr das zu gestehen, also hatte ich keine Chance. Schließlich
heiratete sie. Zuerst habe ich mich für sie gefreut, aber dann stellte sich
heraus, dass der Mann bereits verheiratet war..." Der Geist seufzte. „Es
gab einen Unfall, und sie... starb vor mir. Ich möchte zwei Dinge wissen:
erstens, wo sie sich jetzt aufhält, und zweitens, ob wir in unserem nächsten
Leben das gleiche Schicksal haben werden."
„Wir können die Angelegenheiten des nächsten Lebens
natürlich untersuchen. Allerdings werden die Kosten dafür nicht in Geld,
sondern in Lebensjahren aus dem nächsten Leben bestehen. Was den Aufenthaltsort
der Dame betrifft, so geben Sie uns bitte ihren Namen und ihr Porträt."
„Oh, okay, okay. Ich habe ihr Porträt hier. Ihr Nachname
ist Yao, ihr Vorname Lan..."
An jedem Schalter plapperten die Geister so vor sich hin.
Auch wenn ihre Körper längst verrottet waren, konnten sie sich nicht von ihren
weltlichen Bindungen lösen.
Mo Ran drehte eine Runde durch den Raum, umklammerte seine
Laterne und blickte nach links und rechts. Er stellte fest, dass die Leute in
der Halle-des-Rückenwinds für Antworten nur zwei Dinge verlangten: Geld oder
Lebenszeit.
Er hatte kein Geld. Aber wenn er ihnen seine Lebenszeit
überließ, könnten sie entdecken, dass er ein lebender Mensch war, der sich in
die Unterwelt eingeschlichen hatte. Er wurde immer unruhiger und verfluchte
Meister Huaizui dafür, dass er nicht vorausschauend genug war, um ihm für eine
solche Situation etwas Papiergeld zu geben.
Er schaute noch einmal auf die Preisliste. Die Kosten für
eine einfache Nachforschung nach jemandem waren nicht besonders hoch. Mo Ran
fasste einen Entschluss und lief zurück zur Taverne. Es bedurfte einiger Suche,
um den Gelehrten wiederzufinden, und all seiner Überzeugungskraft, um den Mann
davon zu überzeugen, Mo Ran ein paar magere Silbergroschen zu leihen.
Mit dem Geld in der Hand kehrte Mo Ran zur Halle-des-Rückenwinds
zurück. Er wartete eine halbe Ewigkeit in der Schlange, bis er endlich an der
Reihe war.
„Ich suche jemanden", sagte Mo Ran dringend. „Hier ist
sein Porträt." Er überreichte Chu Wannings Porträt und wollte noch mehr
sagen, doch unerwartet warf die Person am Schalter nur einen einzigen Blick auf
das Porträt, bevor sie kicherte und die Schriftrolle wieder einrollte.
„Warum suchen Sie nach ihm?"
„Ah?" Mo Ran war verblüfft. „Sie wissen, wo er ist,
wenn Sie nur das Gemälde betrachten?"
„Natürlich. Aber sagt mir zuerst, warum suchen Sie ihn?"
„Er ist jemand, den ich kenne."
Der maskierte Geist warf ihm noch einen Blick zu. „Warten
Sie hier, bitte", sagte er. Er beugte sich zu dem Kollegen neben ihm
hinüber, und die beiden unterhielten sich leise miteinander. Als er sich wieder
Mo Ran zuwandte, hatte sich sein Tonfall deutlich erwärmt.
„Da Sie ein Bekannter von Herrn Chu sind, ist keine
Bezahlung nötig. Der Geist erhob sich und winkte Mo Ran nach vorne. „Dann kommt
mit. Folgt mir nach oben."
Erklärungen:
Konfuzius Einfluss auf alle Aspekte der
chinesischen Kultur ist unschätzbar. Konfuzius legte großen Wert auf Respekt
vor den Ältesten und der Familie, ein Konzept, das allgemein als Xiao ( 孝顺 / ‘kindliche Frömmigkeit‘) bekannt ist. Die
Familienstrukturen werden in anderem Zusammenhang verwendet, um ähnliche
Verhaltensweisen zu fordern, wie z. B. den Respekt eines Schülers gegenüber
einem Lehrer oder der Menschen eines Landkreises gegenüber ihrem Herrscher.
Mengzi war ein chinesischer
konfuzianischer Philosoph, der oft als ‘zweiter Weiser‘ (亞聖) bezeichnet wird, d. h. als
zweiter nach Konfuzius selbst. Mencius übernahm die Ideologie des Konfuzius und
entwickelte sie weiter.
Xiucai, 秀才, ist der Titel von jemandem, der die unterste Stufe der
Beamtenprüfung im Bezirk bestanden hat.
…Freundschaft zwischen Gentlemen so leicht wie
Wasser ist, 君⼦之交淡如⽔. Hat zwei Bedeutungen.
Erstens, dass zwischen Gentlemännern, d. h. gelehrten Personen von hohem
moralischem Wert, leicht und natürlich sein sollte, klar wie Wasser. Zweitens,
dass es gesund ist, in einer Freundschaft eine gewisse Distanz zu wahren und
häufige Interaktionen nicht erforderlich sind, um gute Freunde zu sein, die die
sich in Zeiten der Not gegenseitig helfen.
Schlitzaugen, 缝眼, und Phönixaugen,
凤眼, haben das gleiche Pinyin und klingen sehr ähnlich: feng yan. (Pinyin
ist ein System der Übertragung chinesischer Zeichen mit lateinischen
Buchstaben.)
Rasseltrommeln sind indirekt angeschlagene Trommeln, die geschüttelt oder schnell um die eigene Achse gedreht werden, damit die im Innern eingeschlossene oder außen an Schnüren befestigte Kügelchen gegen zwei Trommelfelle stoßen und so eine Schlagfolge oder ein prasselndes Geräusch hervorrufen. Es ist ein Kinderspielzeug, im Donghua von “The Grandmaster of Demonic Cultivation” sieht man diese Trommeln öfters. Es ist der Gegenstand mit dem Wei Wuxian so gerne spielt.
⇐Vorheriges Kapitel Nächstes Kapitel⇒
Wie jetzt? NOOOOOO........dieser miese Cliffhänger diesmal
AntwortenLöschenLeider doch. Das Witzige ist ich merke meistens gar nicht wie fies die Cliffhanger sind. Ich bin es einfach gewohnt mehrere Kapitel auf einmal zu lesen.
LöschenNachdem ich meine neuen grauen Haare betrachtet habe, die dieser Cliffhanger verursacht hat, schreibe ich mal ein Review.
AntwortenLöschenDie Szene mit dem Torwächter, war spannend. Ich rechnete wirklich damit, das Mo Ran erstmal durch eine Hölle muss. Die Szene mit dem Lineal das anfing zu bluten, die Schreie usw. Ich mochte diese Szene. Und dann wurde das Lineal nochmal benützt, damit man rausfindet in welche Hölle er kommt und dann hört man Chu Wannings Stimme und plötzlich verändert es alles, das Urteil über Mo Ran...
Man hat die Szene förmlich verschlungen. Aber der Torwächter ging leer aus. Dafür ging es jetzt für Mo Ran weiter und findet einen Gelehrten. Ich musste bei den beiden die meiste Zeit über grinsen XD. Vor allem als Mo Ran Chu Wanning beschreiben sollte, damit er ihn zeichnen kann und sich das doch als schwerer herausstellte XD
Und dann kommt sie, die Szene wo man denkt und hofft, er findet Chu Wanning und allein die Reaktionen der Geister... man will weiterlesen, aber das Kapitel ist vorbei. *dich aus großen Augen anstarr* Das heißt jetzt, bis Freitag warten? Bis dahin habe ich weiße Haare o.O
Meine Nerven o.o
Da werden leider wohl noch ein paar graue Haare hinzukommen. Der Unterwelt Abschnitt ist sehr emotional, bis jetzt der emotionalste Teil der Geschichte und voller "guter" Cliffhanger.
LöschenAlso, dass mit dem Sündenmesslineal fand ich auch sehr interessant. Wahrscheinlich weil Chu Wanning eine so starke und schuldlose Seele war und Mo Ran im Sterben vergeben und einen Teil der Sünden auf sich genommen hat, hat er dadurch Mo Ran sehr geholfen.
Das mit dem Zeichner war auch nicht schlecht, aber da kann man mal sehen, wie gerissen und überzeugend Mo Ran sein kann, wenn er nur will.
Leider musst du warten, aber ich kann dir eines verraten: Kapitel 110, also am 12.10.24 wirst du bestimmt sehr viel heulen. Ich musste es jedenfalls, weil dieses Kapitel eine Tragik hat, mit der ich nicht gerechnet habe.
Deine Nerven dürfen noch ein bisschen weiter leiden, ich entschuldige mich schon ein Mal hiermit dafür. XD