Kapitel 130 ~ Shizun, ich habe fünf Jahre zurückgelegt, um dich zu besuchen

Chu Wannings Atmung war ein wenig schwer, seine Kehle etwas trocken. Er weigerte sich, so leicht nachzugeben, und entschied sich stattdessen, schwierig zu sein. Er hielt das Feuer, das in seiner Brust wütete, im Zaum und fragte, mild wie immer: „Solange du lebst?"

„Solange ich lebe."

„Ich könnte sehr schnell gehen, ohne Rücksicht auf dich."

„Das ist in Ordnung, ich werde dir nachlaufen."

„Vielleicht will ich nicht mehr laufen und bleibe einfach stehen."

„Dann bleibe ich bei Shizun stehen."

Aufgeregt über seine unbeugsamen Antworten zupfte Chu Wanning an seinen Ärmeln und sagte: „Und wenn ich nicht mehr laufen kann?"

„Dann trage ich dich."

Chu Wanning sah beleidigt aus. Mo Ran hielt inne, als ihm klar wurde, dass dies ein wenig respektlos, ja sogar unhöflich gewesen sein könnte. Seine Augen weiteten sich, er winkte hektisch mit der Hand und ergänzte: „Ich trage dich auf meinem Rücken."

Chu Wannings Herz schlug immer schneller, und er musste sich beherrschen, um dem Drang zu widerstehen, diesem Mann aufzuhelfen und ihn zu berühren. Er runzelte bei diesem Impuls die Stirn und sah ängstlich und ein wenig verärgert aus. „Wer will schon von dir getragen werden?"

Mo Ran öffnete seinen Mund, wusste aber nicht, was er sagen sollte. Sein Shizun war immer so schwierig ‒ er wollte weder auf seinem Rücken noch in seinen Armen getragen werden. Er konnte ihn nicht über seinen Kopf heben und schon gar nicht auf dem Boden schleifen und hinter sich herziehen. Er kam sich zu dumm vor, um herauszufinden, wie er Chu Wanning glücklich machen konnte. Ratlos ließ er den Kopf hängen wie ein ausgesetzter streunender Hund. Mit leiser Stimme murmelte er: „Dann höre ich auch auf zu laufen."

Chu Wanning wusste nicht, was er sagen sollte.

„Wenn du im Regen stehen willst, dann leiste ich dir auch im Regen Gesellschaft."

Chu Wanning war mit seinem Verstand am Ende angesichts dieses unerbittlichen Ansturms. Er war so daran gewöhnt, alles selbst zu machen, dass er, ohne nachzudenken, herausplatzte: „Ich will deine Gesellschaft nicht."

Mo Ran verstummte schließlich. Von dort, wo er stand, konnte Chu Wanning nur seine breite Stirn, die dunklen Augenbrauen und die langen Wimpern sehen, die nun niedergeschlagen und zitternd waren, wie Vorhänge, die im Wind auf- und abgingen.

„Shizun..." Mo Ran missverstand die Gefühle hinter Chu Wannings aufgeregter Ablehnung. Er fragte: „Bist du immer noch böse auf mich...?"

Da er hilflos im Pochen seines eigenen Herzens versank, Chu Wanning verstand seine Frage nicht ganz. „Was?"

„Damals in der Unterwelt habe ich mich schon viele, viele Male bei Shizun entschuldigt, aber ich weiß, dass das nicht ausreicht. Ich habe jeden Moment der letzten fünf Jahre damit verbracht, mich schuldig zu fühlen. Ich weiß, dass ich dir etwas schuldig bin."

Chu Wanning war sprachlos.

„Ich will mich bessern, damit ich mich nicht zu schmutzig fühle, um vor dir zu stehen, damit ich wenigstens meinen Kopf vor dir heben kann. Aber ich ...ich kann dich nicht einholen. Jeden Tag, wenn ich aufwache, habe ich Angst, dass ich träume, dass du weg bist, wenn ich aus dem Traum erwache. Ich höre immer wieder die Worte, die du am Jincheng-See gesagt hast, dass die schönsten Träume nur selten wahr werden, und dann...bin ich so traurig..."

Mo Rans Stimme wurde rau. Er hatte noch mehr zu sagen, aber er wollte es nicht tun. Er fühlte, dass er kein Recht hatte, vor Chu Wanning über diese Dinge zu sprechen, er brachte es nicht übers Herz, Chu Wanning alles zu erzählen, was in den letzten fünf Jahren geschehen war.

Manchmal... Ganz allein im Schneetal, wusste er nicht mehr, welcher Tag es war, oder wo er sich befand. Dann stach er sich mit einer Nadel zwischen die Fingergelenke, wieder und wieder. Es tat weh, aber so wusste er, dass er noch bei Bewusstsein war, noch lebte. So wusste er, dass er nicht mehr in seinem früheren Leben war und träumte. Wenn er aufwachte, würde er nicht auf einen Sisheng-Gipfel sehen, dem alles Vertraute genommen war, auf eine Xue Meng mit hasserfüllten Augen und einer Rufeng-Sekte, die dem Erdboden gleichgemacht worden war. Dass er, wenn er zum Roter-Lotus-Pavillon ginge, Chu Wanning nicht dort liegend vorfinden würde, als ob er noch am Leben wäre.

Als ob er noch am Leben wäre. Als ob er noch am Leben wäre. Welche Worte könnten mehr schmerzen als diese?

Es war seltsam, jetzt, wo er darüber nachdachte ‒ als er erfahren hatte, dass Chu Wanning gestorben war, um ihn zu retten, und als er in die Unterwelt hinabgestiegen war, um seine Seelen zu suchen, hatte Mo Rans Herz geschmerzt. Aber das war nichts im Vergleich zu der unbändigen Verzweiflung, die er jetzt empfand. Mit der Zeit, Tag für Tag, je näher der Moment des Erwachens von Chu Wanning rückte, wurde der Schmerz nur noch schlimmer, als würde ein Messer in sein Herz schneiden.

Vielleicht lag es daran, dass er in den Tagen, die er allein verbracht hatte, zu viel Zeit zum Nachdenken gehabt hatte. Vielleicht lag es daran, dass er in der Zeit ohne Chu Wanning so verzweifelt, ja hysterisch versucht hatte, diese Person zu imitieren, dass er sich am liebsten in Stücke gerissen und die Bruchstücke in Chu Wannings Gestalt wieder zusammengesetzt hätte.

Was auch immer der Grund dafür war, viele Dinge, die er nie wirklich beachtet oder bedacht hatte, Dinge, die er allmählich vergessen hatte, waren in seinem Kopf wieder aufgetaucht. Diese Erinnerungen an die Vergangenheit waren wie angeschwemmte Untiefen, die im Kielwasser der zurückweichenden Flut auftauchten. Er stand allein am Ufer, aber die Wellen waren bereits verschwunden.

Er konnte es jetzt so deutlich sehen. Eine Szene aus seinem vergangenen Leben, umgeben von den Leuchtfeuern des Krieges auf allen Seiten, am Ende der Fahnenstange. Xue Meng war zum Sisheng-Gipfel gekommen, und in einem bis zur Unkenntlichkeit veränderten Wushan-Palast hatte Xue Meng ihn mit Tränen in den Augen verhört. Er wollte wissen, warum er das seinem eigenen Shizun angetan hatte. Xue Meng hatte damals versucht, ihn mit Worten und seiner Art dazu zu zwingen, umzukehren, bevor er starb.

Nein, Mo Ran. Denk darüber nach. Lass deinen bösartigen Hass los und blicke richtig zurück. Er hat dich einst in Kultivierung und Kampfkunst ausgebildet, dich in der Kunst der Selbstverteidigung unterrichtet. Er hat dir einst Lesen und Schreiben beigebracht, Poesie und Malen. Er hat einmal gelernt, nur für dich zu kochen, obwohl er so tollpatschig war und sich überall Schnittwunden zugezogen hat.

Er hat einst... Er hat einst jeden Tag darauf gewartet, dass du nach Hause kommst, ganz alleine, von Einbruch der Dunkelheit...bis zum Morgengrauen...

 

Damals hatte Mo Ran nicht zugehört. Er hatte sich geweigert, hinzusehen. Jetzt stand er am Ufer des Schicksals, wo die Flut zurückgegangen war, und als er hinunterblickte, lag ein verlorenes Herz unter seinem Fuß, ein Herz, das einst so gut zu ihm gewesen war, so aufrichtig zu ihm, dass er sich fast selbst in den Tod getrieben hatte. Aber er war so festgefahren in seinen Gewohnheiten, dass er nichts davon gesehen hatte, als er darauf getreten war ‒ so wie er auf Chu Wannings eigenes Herz getreten war.

Ein Schauer lief Mo Ran den Rücken hinunter, wann immer er daran dachte. Was hatte er getan... Was hatte er getan? Zwei Leben lang, sechzehn Jahre lang; hatte er Chu Wannings Freundlichkeit jemals erwidert? Hatte er jemals, und sei es auch nur für einen Tag, Chu Wanning in seinem Herzen an erster Stelle gesetzt?!

Verfluchte Bestie! War sein Herz damals aus Stein gewesen? Wie hätte es nicht weh tun können?!

Wie oft hatte er in den letzten fünf Jahren von Chu Wannings Rückkehr geträumt, in einer schneeweißen Robe, so wie er es gewohnt war? Wenn er aufwachte, fand er das Kissen nass vor. Und jeden Tag sagte er: Chu Wanning, Shizun, es tut mir leid, ich habe mich geirrt, ich habe mich geirrt. Und jeden Tag verringerte die Aufzählung seine Schuldgefühle nicht im Geringsten.

Später, wenn Mo Ran die blühenden Blumen des Frühlings sah, dachte er an ihn, und wenn er den fallenden Schnee des Winters sah, dachte er auch an ihn.

Später war jeder Tagesanbruch golden wie Chu Wannings Seele. Jeder Einbruch der Nacht war dunkel wie Chu Wannings Augen. Später war jeder weiße Mondstrahl wie der Schnee auf seinen Ärmeln, jede aufgehende Sonne war wie die Wärme in seinen Augen. Später würde er Chu Wannings Silhouette in den zinnoberroten Wolken am Horizont sehen, im azurblauen Licht der Morgendämmerung, in den aufsteigenden, wogenden Wolken über ihm. Er war überall.

Angetrieben von dieser Angst und Sehnsucht spürte er allmählich, wie sein Groll über seine niedrige Geburt schwand, wie seine fast fanatische Verehrung für Shi Mei allmählich abkühlte.

Eines Tages hatte er außerhalb des Schneetals einen schneebedeckten Winterjasmin gesehen, der aus einem Riss in einer Mauer wuchs. Er hatte ihn eine Weile still betrachtet und gedacht, wie er es immer tat: Ah, was für eine hübsche Blume. Shizun würde sie bestimmt gefallen, wenn er sie sehen könnte.

Es war ein so flüchtiger Gedanke über die einfachste, beiläufigste und unwichtigste Kleinigkeit gewesen. Aber von einem Atemzug zum anderen überkam ihn plötzlich all der Kummer, der ihn damals, als Chu Wanning starb, nicht aus dem Kopf ging und in die Knie gezwungen hatte. Ein Sprichwort besagte, dass ein tausend Meilen langer Damm durch den Tunnelbau von Ameisen zerstört werden konnte; in diesem Moment brach Mo Ran mit einem Mal zusammen. Er schrie jämmerlich und schreckte damit Gänse aus den Tiefen des Tals auf. Seine Schreie waren heiser und hässlich, eine Schande für die goldene Blume, die auf dem Schnee blühte.

Es waren fünf Jahre vergangen. Und doch hatte er sich nicht ein einziges Mal verziehen.

„Shizun...es tut mir leid... Ich habe wirklich mein Bestes gegeben, um heute rechtzeitig zurück zu sein; ich hatte sogar ein Geschenk für dich, damit ich nicht mit leeren Händen zurückkomme..."

Die vermeintliche Gelassenheit löste sich schließlich auf, die vorgetäuschte Leichtigkeit brach in sich zusammen. Vor Chu Wanning kniend, brach Mo Ran schließlich zusammen. In Wahrheit ließ sich der Mo Ran von heute nur vor Chu Wanning so in Stücke reißen.

„Ich bin... immer noch sehr dumm. Ich konnte nicht einmal das Erste schaffen, was ich dir nach deiner Wiederbelebung versprochen habe. Das ist meine Schuld."

Chu Wanning konnte es kaum ertragen, ihn so anzuschauen. Er hatte Mo Ran schon immer über alles geliebt, und jetzt, wo sie beide nach so langer Zeit endlich wieder vereint waren, brachte er es nicht übers Herz, ihn so unglücklich zu sehen. Aber als er Mo Rans Worte hörte, zögerte Chu Wanning und fragte: „Warum bist du heute nicht rechtzeitig zurückgekommen?"

„Eigentlich... war genug Zeit, um zurückzukommen. Aber ich bin in der Schmetterlingsstadt auf ein paar böse Geister gestoßen, die Ärger gemacht haben, also habe ich..."

„Wurdest du aufgehalten, um sie zu vertreiben?"

„Es tut mir leid." Mo Ran starrte auf den Boden. „Nicht nur, dass ich aufgehalten wurde, auch das Geschenk, das ich für Shizun vorbereitet hatte, wurde beschädigt... und außerdem war ich voller Blut, so dass ich hierher eilte, um es abzuwaschen, nur um..."

Chu Wanning spürte, wie sein Herz weich wurde.

Mo-Zongshi.

Mo Ran war wirklich nicht mehr derselbe wie vor fünf Jahren. Der Mo Ran von vor fünf Jahren war ein selbstsüchtiger Bengel gewesen, aber jetzt verstand er die Tragweite der Dinge. Chu Wanning kümmerte sich nicht  wirklich um Kleinigkeiten wie Feste und Geschenke ‒ hätte Mo Ran das Geisterproblem in der Schmetterlingsstadt gesehen und sich entschieden, es zu ignorieren, wäre Chu Wanning wütend auf ihn gewesen. Aber als er diesen Mann sah, der vor ihm kniete, ganz ehrlich und unbeholfen, als er ihn um Verzeihung bat, fand Chu Wanning ihn stattdessen so dumm, dass es ziemlich niedlich war.

Er machte einen langsamen Schritt vorwärts, ein warmes Gefühl durchströmte sein Herz. Er streckte die Hand aus und wollte Mo Ran gerade aufhelfen, als er ihn murmeln hörte: „Shizun, bitte wirf mich nicht aus der Sekte."

Jetzt war es an Chu Wanning, überrascht zu sein. Er kannte die Tiefe von Mo Rans Schuldgefühlen und Reue nicht und hatte daher nicht erwartet, dass Mo Ran so etwas sagen würde. Zögernd begann er: „Was..."

„Selbst wenn du nicht willst, dass ich bei dir bleibe oder dir bei Regen hinterherlaufe; selbst wenn du nicht willst, dass ich dich trage ‒ selbst wenn du all das nicht willst, bitte wirf mich nicht hinaus."

Mo Ran hob schließlich den Kopf. Chu Wannings Herz zitterte. Er sah die schwache Rötung an den Rändern seiner Augen und wie sie ein wenig feucht waren. Normalerweise war Chu Wanning fest und entschlossen, aber jetzt fühlte er sich hilflos. „Du... Du bist schon zweiundzwanzig, warum bist du immer noch..." Er hielt inne und stieß einen langen Seufzer aus. „Steh erst einmal auf."

Mo Ran hob einen Arm, um sich die Augen zu reiben, und sagte hartnäckig: „Ich stehe nicht auf, wenn Shizun es nicht will."

Er ist immer noch ein Schurke, wie zu erwarten!

Chu Wanning spürte, wie er Kopfschmerzen bekam. Die Lippen zu einem schmalen Strich zusammengepresst, packte er Mo Ran am Handgelenk und zog ihn hoch. Aber in dem Moment, als seine Fingerspitzen ihn berührten, spürte er nur noch die Kraft seiner Muskeln und die Hitze seiner Haut. Der feste Körper dieses jungen Mannes war nicht mehr derselbe wie in seiner Jugend. Eine einzige Berührung ließ Chu Wannings Herz aus seiner Brust pochen, und er ließ sofort los, völlig unvorbereitet. Mo Ran war glücklicherweise zu verzweifelt, um Chu Wannings seltsames Verhalten zu bemerken. Aber Chu Wanning starrte ungläubig auf seine eigene Hand, und in ihm tobte die Verwirrung.

Was war nur los mit ihm? Hatten die fünf Jahre des Schlafs ihm jeden Rest von Askese und Zurückhaltung geraubt? Er blickte erstaunt zu Mo Ran auf. Oder lag es daran, dass die Person vor ihm sich wirklich so sehr verändert hatte, dass es ihm schwerfiel, sich zu beherrschen?

Mo Ran schürzte kurz die Lippen, dann schien er sich entschlossen zu haben, hartnäckig zu sein ‒ so hartnäckig, dass er nicht einmal hinausgeworfen werden konnte. „Bitte wirf mich nicht raus, Shizun." Er machte Anstalten, sich wieder hinzuknien.

Wie konnte Chu Wanning es nur riskieren, ihm ein zweites Mal auf die Beine zu helfen? Er unterbrach ihn hastig mit einem strengen: „Knie nicht noch einmal! Oder ich werfe dich wirklich raus, wenn du das tust!"

Mo Ran hielt inne und blinzelte. Plötzlich hatte er es begriffen. Seine Augen leuchteten auf und er sagte: „Shizun, du gibst mir doch nicht die Schuld... Du bist doch nicht böse, weil ich nicht zum Bankett gekommen bin? Du..."

„Bin ich jemals so kleinlich gewesen?", schnauzte Chu Wanning.

In seiner Aufregung versuchte Mo Ran, eine Umarmung zu bekommen. Chu Wanning war, gelinde gesagt, erschrocken, wich einen Schritt zurück und schimpfte stirnrunzelnd: „Was fällt dir ein, das zu tun? Wo bleibt dein Anstand?"

„Ah." Mo Ran erkannte seinen Fehler und beeilte sich, sich zu entschuldigen: „Es tut mir leid, ich habe mich für einen Moment vergessen."

So sehr er sich auch bemühte, kühl zu bleiben, die Spitzen von Chu Wannings Ohren waren knallrot. „Du bist schon in den Zwanzigern und kennst immer noch nicht deine Manieren."

Auch Mo Rans Ohrenspitzen wurden rot. Er murmelte: „Es ist meine Schuld."

Es ist meine Schuld‘ war zu diesem Zeitpunkt praktisch sein Schlagwort. Als Chu Wanning ihn wieder hörte, fühlte er sich ein wenig von vielem: wütend, amüsiert, mitleidig, warm. Mit hochgezogenen Wimpern warf er aus den Augenwinkeln heimlich einen weiteren Blick auf Mo Ran. Dort stand ein großer, gut aussehender Mann mit sonnengegerbter Haut. Vielleicht lag es am Dampf der heißen Quellen, vielleicht aber auch an etwas ganz anderem, dass seine Wangen ein wenig gerötet und warm waren. Er schien förmlich vor Jugendlichkeit zu glühen, so sehr, dass der Dampf in der Luft verpuffte und die dunklen, strahlenden Augen noch heller erschienen.

Chu Wanning spürte, wie sein eigenes Herz gegen seinen Brustkorb pochte, und seine Fingerspitzen fühlten sich an, als stünden sie wieder in Flammen, wie vorhin, als er Mo Ran berührt hatte. Seine Kehle war plötzlich schrecklich trocken, und er sah Mo Ran nicht mehr an, als er „Dummkopf", murmelte und sich zum Gehen wandte.

Aber die Barriere über ihm wackelte nicht einmal. Mo Ran war wirklich hinter ihm her, wie er es versprochen hatte.

Chu Wanning senkte den Blick und wagte es nicht, sich umzudrehen, zu sehr war ihm bewusst, dass er die Liebe und das Verlangen in seinen Augen nicht länger verbergen konnte, so wie es auch unmöglich war, das Brennen in seinen Fingerspitzen zu verbergen.

Mo Ran hatte ihn endgültig ruiniert. Dieser Mann hatte alles getan, was der Mo Ran von vor fünf Jahren nicht vermocht hatte; er hatte sein Herz genommen und es im Ozean der Begierden ertränkt. Von nun an würde Chu Wanning wie ein gewöhnlicher Sterblicher sein, der einen Körper aus Fleisch und Blut und eine Seele besaß, die der Begierde schutzlos ausgeliefert war, gefangen in einem Netz, dem er nicht entkommen konnte.

 

 

 

Erklärungen:

…er hatte sein Herz genommen und es im Ozean der Begierden ertränkt: "Ozean der Begierden" ist ein buddhistischer Begriff, der sich auf weltliche Begierden bezieht. Die buddhistische Lehre besagt, dass Begierden den Menschen von seinem eigentlichen Selbst abbringen und ihn in den Ozean von Leben und Tod versinken lassen.




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6 Kommentare:

  1. Mo Ran seine Schuldgefühle erdrücken ihn fast. Nach allem, was er in seinem früheren Leben getan hat, ist es nur gerecht, das er jetzt das durchmachen muss. Dennoch kann man nicht anders, als das er einem leid tut. Er lernt aus seinen Fehlern, während wir hier noch Chu Wanning haben, der recht überfordert ist, mit so einem Mo Ran und das so einiges in ihm vorgeht *hust*

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    1. Ich finde es schön das Meatbun Mo Rans Schuldgefühle und wie die Vergangenheit in ihn seinen Gedanken einholt, beschreibt und es auch so detailliert darstellt. Bei vielen wird so was immer nur sehr kurz gesagt und beschrieben und das wars. Aber hier sehen wir Mo Rans komplettem Werdegang und seine Charakterveränderung bis ins Detail und können alles nachvollziehen und mitempfinden.
      Was mir hier auch sehr gefällt ist, wie vernarrt Mo Ran in Chu Wanning ist und dies mit seinen Handlungen und Worten zeigt, dabei ist er immer sehr respektvoll und achtet auf die Grenzen von seinem Shizun. Mich erinnert diese Beziehung stark an Lou Binghe und Shen Qingqiu. Da war Lou Binghe auch immer sehr respektvoll und achtsam im Umgang mit seiner großen Liebe, aber beide - Mo Ran und Lou Binghe - finden ihre Wege, ihren Willen doch noch zu kriegen und dabei dennoch achtsam zu bleiben, ich liebe das.

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  2. Wieder ein wunderschönes Kapitel, Chu Wanning völlig hilflos gegenüber seinen Gefühlen und Mo Ran tief in seine Schuld verstrickt, wie rührend und traurigschön

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    1. Chu Wanning kann seinen Gefühlen nicht mehr ausweichen oder sie ignorieren, weil Mo Ran festentschlossen ist, an der Seite von seinem Shizun zu bleiben. Aber ich finde es schön das Chu Wanning endlich das gekriegt hat, was er schon immer wollte; jemanden der an seiner Seite steht und ihn nicht alleine lässt.

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  3. Hach mo rans schuldgefühle. Naja, sein altes ich gehört zu dem jetzigen. Ohne diese Vorgeschichte wäre er auch nie zu diesem jetzigen ich geworden und omg, wer fiebert auch als mit das chu wanning sich nicht beherrschen kann und über mo ran herfällt 🤣 ich glaube wir können lange auf sowas warten. In Extras vlt? Ach ich will es garnicht wissen 🫣🫣

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    1. Ohne sein altes Ich kann das Jetzige nicht existieren, das weiß auch Mo Ran, aber trotzdem kann er sich nicht vergeben. Mo Ran genießt auch einfach die friedlichen Tage, da er einfach befürchtet, dass diese irgendwann enden und ihn seine Vergangenheit einholt.
      Chu Wanning wird sich zurückhalten können, es ist nur Mo Ran so, dass es dem ihm sehr schwerfällt. Vor allem, dann wenn sie sich ihre Gefühle füreinander irgendwann gestehen.
      PS: Wenn du es doch wissen willst kann ich dir einen kleineren oder größeren Tipp diesbezüglich geben.

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