Kapitel 148 ~ Shizun ist ein natürlicher Plagegeist

Mo Ran wurde auf dem falschen Fuß erwischt; er hatte nicht damit gerechnet, dass Chu Wanning auf ihn zustürmen würde, und wich der Schwertspitze nur knapp aus, als sie seine Brust streifte. „Wenn Shizun mit mir kämpfen will, dann probiere wenigstens die Kleidung vorher an. Onkel wartet immer noch auf eine Rückmeldung."

„Erst der Übungskampf, dann die Kleidung."

„Das ist ziemlich dringend; der Schneider wartet darauf, etwas anzupassen, falls etwas nicht passt."

„Dann komm zu mir."

Mo Ran war sprachlos. Das war eine Eigenschaft, die Chu Wanning mit Xue Meng teilte ‒ wenn sie erst einmal mit jemanden konkurrierten, war es schwer, sie umzustimmen. Im Laufe dieses kurzen Schlagabtauschs hatte Chu Wannings Langschwert bereits mehrere Male auf Mo Rans Vitalpunkte eingeschlagen. Mo Ran schaffte es nur dank seines umfangreichen Trainings, unbeschadet davonzukommen. Wäre er eine Sekunde langsamer gewesen, wäre er vielleicht verletzt worden, und seine Kleidung wäre so oder so ruiniert gewesen.

Das Schwert traf Mo Ran an der Schulter, aber Chu Wanning konnte sich zurückhalten und schlug ihn nur mit der flachen Seite der Klinge. Er grinste kalt herausfordernd: „Mo-Zongshi, ist das alles, was du drauf hast?"

So in die Enge getrieben, unfähig, auch nur die Kleider in seinen Armen abzulegen, lächelte Mo Ran reumütig. „Shizun hat es satt, mich zu schonen, und will mich stattdessen schikanieren?"

Chu Wannings Blick war scharf wie eine Klinge, und seine schwertartigen Brauen zogen sich leicht zusammen. „Dachtest du, ich würde dich ewig schonen?"

„Haha, das ist wahr."

„Also kämpfen wir das jetzt oder nicht?"

„Okay, okay, lass uns trainieren, lass uns kämpfen." Lächelnd schüttelte Mo Ran den Kopf. An der Spitze seines Fingers flackerte ein Licht auf. „Jiangui, komm!"

Jiangui folgte dem Ruf, aber da Chu Wanning eine gewöhnliche Klinge führte, injizierte Mo Ran keine spirituelle Energie. Kaum hatte sich seine Hand um die Weidenranke geschlossen, stieß das Schwert erneut zu. Mo Ran sprang ein paar Schritte zurück und schnippte mit der Weidenpeitsche, die sich um den Griff von Chu Wannings Schwert wickelte.

Unbeeindruckt zerrte Chu Wanning den Griff mit einer Drehung seines Handgelenks mühelos frei. Mit teuflischer Schnelligkeit huschte er hinter Mo Ran und hielt ihm seine Klinge an die Kehle. Gegen Mo Rans Rücken gepresst, sagte er etwas düster: „Du hast dich nicht konzentriert. Schon wieder."

Chu Wannings Atem strich weich und warm an Mo Rans Ohr und ließ Hitze durch ihn aufsteigen. Seine Kehle bebte unter der Schneide des Schwertes, als er kicherte und sagte mit leiser Stimme: „Shizun, urteile nicht so schnell. Sieh genauer hin und überzeuge dich selbst, ob ich mich konzentriert habe oder nicht."

In diesem Moment stellte Chu Wanning erschrocken fest, dass Mo Rans Weidenranke sich irgendwie um seinen Arm gewickelt hatte und ihn fest umklammerte. Er war unfähig, sich auch nur einen Zentimeter zu bewegen.

Chu Wanning betrachtete seinen Arm einen langen Moment lang. Seine Augen leuchteten scharf auf. „Mn? Nicht schlecht, ich nehme es zurück."

Mo Ran grinste. „Ich nehme nichts zurück."

„Was willst du dann?"

„Ich möchte, dass Shizun die Kleider anprobiert."

Chu Wanning lächelte. „Dann wollen wir mal sehen, wer zuerst gewinnt."

Während er sprach, ließ er einen kräftigen Stoß spiritueller Energie durch seinen rechten Arm fließen und schleuderte Jiangui zurück. Er sprang zurück und brachte Abstand zwischen sich und Mo Ran, während sein Schwert durch die Luft auf sein Ziel zustürzte. Mo Ran hatte keine andere Wahl, als seine Peitsche zu erheben, um den Angriff abzuwehren. Die Weidenranke und das Schwert prallten in der Luft aufeinander. Keine der beiden Waffen war von spiritueller Energie durchdrungen, also gab es auch nicht das übliche Spektakel feuriger Funken. Dennoch war jeder Schlag ungeheuer gekonnt, flüssig und präzise. Einer von Mo Rans Armen war noch mit den für Chu Wanning bestimmten Kleidern beschäftigt, so dass Chu Wanning sich darauf beschränkte, nur seine rechte Hand zum kämpfen zu benutzen.

Innerhalb eines Wimpernschlags tauschten die beiden hundert Schläge aus und kämpften bis zu einem Patt, das erstaunlich ausgeglichen war. Chu Wannings Atem ging schnell und schwer, und eine heiße Schweißfahne rann über seine scharfen, nachtschwarzen Brauen und schlängelte sich direkt zu seinem Auge. Da er auf seinen Kampf mit Mo Ran fixiert war, konnte er ihm keine Aufmerksamkeit schenken ‒ der Schweißtropfen fiel an seinen Wimpern vorbei direkt in sein Auge. Er ertrug es, ohne zu blinzeln, und seine Augen leuchteten mit einer furchterregenden Helligkeit, die in den Nachthimmel strahlte. Die kämpferische Natur des Beidou Unsterblichen war von seinem eigenen Schüler gründlich aufgewühlt worden. Er hatte schon immer die Hitze des Wettbewerbs, einen guten, herzhaften Kampf genossen. Seine übliche Kälte und Unnahbarkeit im Kampf kam nur daher, dass er selten einen guten Gegner fand. Aber Mo Ran war wie eine Fackel, die die Lache des berauschenden Getränks, das Chu Wanning war, zu einem lodernden Feuer entfachte und den Himmel in Flammen setzte.

Im weiteren Verlauf des Kampfes knarrte das Langschwert, das der Wucht der Schläge nicht standhalten konnte, bedrohlich. Als sie schließlich erneut in der Luft aufeinandertrafen, gab es einen letzten Stoß und zersprang in zahllose glitzernde Fragmente zwischen den beiden großen Zongshis.

„Selbst das Schwert ist jetzt kaputt", sagte Mo Ran hilflos. „Willst du immer noch weitermachen?"

Chu Wanning warf den Griff beiseite, seine Augen glühten im Kampfgetümmel. Der Kragen seiner weißen Robe hing lose herab und lenkte den Blick auf seine große, schlanke Gestalt. Er antwortete schlicht: „Ja."

Bevor sich der verblüffte Mo Ran an Jiangui erinnern konnte, stürzte sich Chu Wanning auf ihn. Er sprang hervor wie ein Pfeil aus einer gespannten Armbrust, wie ein Gepard in der Wildnis, wie ein Falke im Schnee. Mo Ran riss sich zusammen, um mit Jiangui zurückzurufen, und hob dann seine Arme, um zu blocken, als die beiden ihre Taktik änderten und in einen engen, heftigen Kampf übergingen.

Ein Kampf von Hand zu Hand war etwas anderes als ein Übungskampf mit Waffen; derjenige, der größer gebaut war, hatte einen leichten Vorteil. Chu Wanning und Mo Ran waren von den Fähigkeiten her ebenbürtig, aber Chu Wanning war diesmal eindeutig im Nachteil. Mo Ran grinste. „Shizun, lass uns hier aufhören. Ohne den Einsatz spiritueller Kräfte hast du ehrlich gesagt keine Chance."

Chu Wanning schnappte wütend: „Wie kannst du es wagen! Unverschämter Schüler!"

„Okay, okay. Wie wäre es damit ‒ da Shizun wütend ist, lasse ich Shizun die ersten zehn Züge machen."

„Mo Weiyu!" Wütend über diese Demütigung wurden Chu Wannings Schläge und Tritte schneller und bösartiger.

Hai-Tang-Blütenblätter wirbelten um sie herum wie ein Wirbel von Schneeflocken. Dort unter dem Baum lieferten sich Meister und Schüler einen unerbittlichen Schlagabtausch mit all ihrer Kraft. Nach weiteren achtzig Schlägen wurde Chu Wanning schwächer. Er hatte vor Mo Rans Ankunft etwa eine Stunde lang mit dem Schwert geübt, und dann hatten sie sich über hundert Hiebe mit ihren Waffen geliefert. Er begann wirklich zu ermüden. Doch seine Augen leuchteten, und sein Herz raste. Sein hübsches Gesicht glühte vor Vitalität.

Je länger sie kämpften, desto mehr verstrickten sie sich in ihrem Kampf um die Vorherrschaft. Chu Wanning drehte sich heftig und stieß mit dem Ellbogen direkt nach Mo Rans Rippen, doch sein Arm blieb in Mo Rans Griff hängen. Sie stemmten sich gegeneinander, ihre Arme zitterten vor Anstrengung...

Chu Wannings Arme waren fest in Mo Rans Griff, die Kraft in diesen langen, schwieligen Fingern drohte ihn zu zerquetschen, seine Knochen zu brechen. Mo Rans ursprünglicher Durst, zu dominieren, rührte sich bei ihrem Nahkampf. Mit einem Kraftausbruch überwältigte er schließlich Chu Wanning, dann plötzlich, mit einer Drehung seines Arms.

Chu Wanning zuckte erschrocken zusammen, doch ehe er sich versah, war er fest in Mo Rans schweißnasser Umarmung gefesselt.

„Willst du immer noch weitermachen?"

In der Stimme hinter ihm lag eindeutig ein Lächeln. Chu Wanning, dessen Herz pochte, spürte Mo Rans breite Brust an seinem Rücken. Diese Brust war wie Feuer, glühend heiß und fest wie Eisen. Sie war wie geschmolzene Lava und drohte, ihn ganz und gar zu verschlingen und zu schmelzen. Mo Rans Lippen pressten sich auf die Rückseite von Chu Wannings Ohr, und sein heißer Atem strich über die nackte Haut von Chu Wannings Nacken. Mit hochgesteckten Haaren gab es nichts, was Chu Wanning vor diesem Gefühl hätte schützen können ‒ vor diesem einschüchternden, räuberischen Atem, diesem männlichen Atem, der ihn zu zerreißen drohte. In ihrem heißen, tropfenden Schweiß, in ihrer körperlichen Nähe lag die Klebrigkeit verschränkter Gliedmaßen, nass wie die Lust...

„Shizun, willst du immer noch weitermachen?"

Chu Wanning antwortete nicht. Er biss sich auf die Unterlippe, und seine Phönixaugen röteten sich. Verdammt, er wollte auf keinen Fall nachgeben!

Gerade als er sich losreißen wollte, bewegten sich Mo Rans Lippen und strichen scheinbar zufällig über sein Ohrläppchen. Chu Wanning  Haare standen zu Berge bei dem heißen, rauen Gefühl, bekam seine Haut eine Gänsehaut, und er stieß mit zusammengebissenen Zähnen hervor: „Lass los!“

Trotz seiner scharfen Worte zitterte sein Körper leise und unkontrolliert in Mo Rans Armen. Wie gut, dass Mo Ran von der ganzen Anstrengung müde war und nicht merkte, warum er zitterte. Die Wahrheit war, dass Mo Ran sich kaum unter Kontrolle halten konnte und nicht in der Lage war, etwas zu bemerken, was mit Chu Wanning nicht stimmte.

Chu Wanning hörte Mo Ran mit leiser, heiserer Stimme sticheln, in einem Ton, den man mitten in der Lust hören würde: „Wenn ich loslasse, wird sich Shizun dann endlich umziehen?"

Seine Phönixaugen röteten sich bei dieser Provokation. „Lass los!", sagte er scharf.

Doch sein Versuch, sich loszureißen, führte nur dazu, dass Mo Ran seinen Griff noch fester machte, so grob und bestimmend, dass Chu Wannings Arm fast ausgekugelt wurde. Sein Körper wurde weich, und trotz seiner selbst stieß er ein heiseres, gedämpftes Stöhnen aus.

Das Geräusch ähnelte zu sehr einem erotischen Stöhnen. Mo Ran erstarrte, sein Unterkörper folgte sofort diesem Ruf. Ihre Körper waren immer noch eng aneinandergepresst, und aus Angst, dass sein Shizun die heiße und harte Erregung bemerken würde, die gegen sich ab ihn drückte, stieß Mo Ran Chu Wanning instinktiv weg, wagte es nicht mehr, ihn so zurückzuhalten, wie er es gerade eben getan hatte.

In dem Moment, in dem Mo Ran losließ, wirbelte ein blindwütiger Chu Wanning herum, umklammerte seinen schmerzenden Arm und versetzte ihm mit voller Wucht einen bösartigen Roundhouse-Kick.

Völlig überrumpelt wurde Mo Ran herumgeschleudert. Er hatte überhaupt nicht mit einem solchen Tritt gerechnet und lag wie benommen am Boden. Seine Rippen, dachte er, sind sicher gebrochen, und seine Augenbrauen zogen sich vor Schmerz zusammen. „Shizun, das war..."

Das war nicht fair. Aber er wagte nicht, den Gedanken zu Ende zu bringen, sondern schielte nur angestrengt mit wässrigen Augen zu Chu Wanning hinauf.

Er erblickte seinen Shizun, dessen Roben in völliger Unordnung waren. Die weiße Seide von Chu Wannings innerer Robe war bei ihrem heftigen Gerangel aufgerissen worden und gab den Blick auf eine breite, feste und glatte Brust frei, die sich mit seinem Keuchen schnell hob und senkte. Chu Wanning zog die Revers seiner Robe zu, während er um Atem rang. Lose Haarsträhnen umrahmten seine Stirn und Schläfen, und seine Augenwinkel waren von der Anstrengung des Kampfes noch rot gefärbt.

Chu Wanning richtete sich langsam auf und warf Mo Ran einen abschätzenden Blick von oben zu. Er hob sein Kinn leicht an, und sein Blick glühte, imposant und stolz. Er atmete tief ein und sagte: „Was macht es schon, dass du größer bist, du hast trotzdem verloren."

Mo Ran war zwischen Lachen und Tränen hin- und hergerissen. Als er sprach, blubberte das Blut in seinen Mundwinkeln. „Was du nicht sagst? Ich glaube, meine Knochen sind gebrochen."

Chu Wanning verfiel in ein schuldbewusstes Schweigen. Er war so in den Kampf vertieft gewesen, dass er nicht wusste, ob er sich mit dem letzten Tritt zurückgehalten hatte. Er beugte sich vor, um an Mo Rans Rippen zu stupsen, und fragte: „Wo habe ich dich getreten?"

„Hier..."

„Tut es weh?"

Mo Ran blickte hilflos auf. Natürlich tat es weh! Aber er war kein Teenager mehr und wollte sich bestimmt nicht bei seinem Shizun über ein Wehwehchen beklagen.

Als er Mo Rans blasses Gesicht sah, streckte Chu Wanning eine Hand aus, um ihm den Kleiderstapel abzunehmen, und zog ihn mit dem Stapel hoch. Er hatte nicht bemerkt, wie sehr ihn der Übungskampf mit Mo Ran, der groß und kräftig war, mitgenommen hatte. Er scheiterte nicht nur bei dem Versuch, Mo Ran auf die Beine zu ziehen, sondern verlor auch das Gleichgewicht und fiel auf Mo Ran. Auf das schmerzhafte Stöhnen des Mannes unter ihm hin richtete sich Chu Wanning auf und begann, ihn ohne nachzudenken, zu mustern. „Bist du in Ordnung?", fragte er mit schmerzverzerrtem Gesicht.

Mo Ran hatte einen Arm über die Augen gelegt, und seine Augenbrauen waren zusammengezogen. „Kannst du erst mal von mir runtergehen?"

Oh gut, er kann noch reden. Sieht aus, als hätte ich ihn nicht zu Tode getreten

Er versuchte, sich zu erheben. Aber wenn man einmal am Ende seiner Kräfte war, war es nicht leicht, nach einem Sturz wieder aufzustehen. Seine Beine wackelten, und am Ende brach er wieder zusammen. Es war eine traurige Angelegenheit.

Diesmal fiel er jedoch direkt auf Mo Rans Hüften. Er bemerkte zunächst nichts Ungewöhnliches. Aber Chu Wanning trug im Moment nur sehr wenig ‒ nicht mehr als eine dünne, seidene Schicht ‒ und diese Position war ziemlich unangenehm. In dem Moment, in dem er sich bewegte, spürte er etwas Hartes und Großes unter sich, das bereitstand.




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4 Kommentare:

  1. oh je, das wird aber peinlich :-)

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  2. Was für ein Kampf zwischen den beiden *-*
    Aber der Schluss dann... Ich wusel mal gleich zum nächsten Kapitel XDD

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    1. Mach lieber schnell als langsam, denn dieses Kapitel wird genial.

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